1980: Autonomer Zapfenstreich in Bremen

Heute vor 40 Jahren sollten im Bremer Weserstadion 1200 junge Rekruten der Bundeswehr im Rahmen des Großen Zapfenstreichs ihr Gelöbnis leisten. An diesen Tag sollten sich noch alle Anwesenden lange erinnern. Im Nachhinein allerdings weniger wegen dem Zeremoniell selbst, als vielmehr wegen der Begleitumstände. – Von Florian Tropp

Für Frank Lehmann ging an diesem 6. Mai 1980 alles schief. Der junge Wehrdienstleistende sollte an diesem Frühjahrsabend in seiner Heimatstadt den Eid als Soldat leisten. Eigentlich wollte er gar nicht hier sein, er hatte geplant zu verweigern. Nun aber stand er mit seinen Kameraden vor einem brennenden Bus, unweit mussten sich auch seine Freunde aus der linken Bremer Uni-Szene befinden. Frank stand also zwischen allen Fronten, als plötzlich Vermummte auf ihn losstürmten: „Es ergab sich ein allgemeines, großes Handgemenge und Gewühle, Frank wurde umgerissen, und andere Leute fielen über ihn drüber, Freund und Feind gleichermaßen, es war jetzt nur noch ein großes, unentwirrbares Knäuel von Körpern und Gliedmaßen.“[1]

Frank Lehmann hat es nie gegeben, er ist die Hauptfigur einer Romanreihe des aus Bremen stammenden Autors und Musikers Sven Regener. Die sonstigen Geschehnisse dagegen sind nur bedingt fiktiv: Die Schlacht am Weserstadion, von Regener als dramatischer Höhepunkt seines Romans „Neue Vahr Süd“ konzipiert, fand heute vor 40 Jahren tatsächlich statt. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sollte wieder vor großem Rahmen eine Vereidigung deutscher Soldaten erfolgen. Die Militanz des Protests dagegen sollte Politik und Presse völlig überraschen, dabei geschah dies – im Rückblick – nicht unerwartet.

Die Gelöbnisfeierlichkeiten in Bremen fielen in eine Zeit radikaler politischer Umbrüche, die vor allem von jungen Aktivisten getragen wurden. Es war die Zeit der aufkeimenden Öko-Bewegung, des Protests gegen das Wettrüsten von Ost und West und eines allgemein neu definierten politischen Bewusstseins. In einem vielbesprochenen Buch hat der Historiker Frank Bösch kürzlich auf die Zeitenwende vor 40 Jahren aufmerksam gemacht.

Bösch charakterisierte das Jahr 1979 als den Wendepunkt hin zum Zeitalter des digitalisierten Global Village mit neo-liberaler ökonomischer Ausrichtung. Viele junge Menschen mit linksalternativer Überzeugung spürten ein politisches Erwachen, das sich in vermehrtem öffentlichkeitswirksamem Protest ausdrückte. Sei es durch Engagement in der Friedensbewegung oder der Arbeit als Aufbauhelfer im sandinistischen Nicaragua.[2] Das militante Aufbegehren gegen das Gelöbnis in Bremen durch diverse Gruppen verschiedener politischer Couleur (orthodox-marxistisch über undogmatisch links bis christlich motiviert) muss in einen gesamteuropäischen Kontext eingebettet werden.

Kreuz und quer in Europa loderten Anfang der 80er Jahre Jugendrevolten auf. Zeitgleich zum Aufruhr in Bremen gründeten Aktivisten die Republik Freies Wendland als Protestzeichen gegen die Nutzung des Salzstocks Gorleben als atomarem Endlager, in Zürich lieferten sich Jugendliche massive Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bei der Krönung von Königin Beatrix in Amsterdam übertönten 1980 ebenfalls Polizeisirenen die feierlichen Klänge.

Diese Protestgeneration war im Schnitt ganze zehn Jahre jünger als ihre Vorgänger im Jahr 1968 und anders als die träumte sie nicht von der romantischen Utopie einer klassenlosen Flower-Power-Gesellschaft. Sie trug schwarz, den zeitgenössischen Punk-Schlachtruf „No Future!“ hatte sie verinnerlicht.[3] Die bunte Utopie der 60er Jahre war der tiefschwarz deprimierten Dystopie gewichen.

Bremen war aufgrund zweier Faktoren als Schauplatz des Gelöbnisses erwählt worden: Zunächst, da dort 1955 erstmals Rekruten vereidigt worden waren, zweitens, weil Bundespräsident Karl Carstens sich diesen Festakt für seine Heimatstadt wünschte. Ein zusätzlicher Anlass war das 25-jährige Jubiläum der Mitgliedschaft der Bundeswehr in der NATO. Dabei galt das politische Umfeld in Bremen als ausgesprochen links und antimilitaristisch. Neben diversen undogmatischen Gruppen hatte hier auch der bestens vernetzte Kommunistische Bund Westdeutschland seinen Sitz.

Bundeskanzler Helmut Schmidt und Verteidigungsminister Hans Apel hatten dabei im Vorfeld sogar noch die Erwartungen der Heeresführung abbremsen müssen. Denn seitens der Bundeswehr plante man zunächst einen weitaus martialischeren Aufzug als den Appell im Stadion: Ursprünglich sollten Panzer und Artillerie auffahren und Kampfjets über die Weser donnern.[4]

Die Situation barg auch so schon genug Gefahrenpotenzial. In Flugschriften und Broschüren mobilisierten die diversen Aktivisten gegen das Gelöbnis und sahen darin ein gefährliches Anknüpfen an militärische Traditionen der Wehrmacht, was von konservativen politischen Entscheidungsträgern sogar beabsichtigt gewesen sein mag.

Der Kommunistische Bund Westdeutschland schrieb in einem offenen Brief an diverse Empfänger: „Trotz Drohung der beiden Supermächte gegenüber den europäischen Völkern, will die Bundesregierung aber aus dieser Situation maximale Nutzen für den Geldsack herausschlagen, als Partner einer der beiden kriegsführenden Seiten. Mit dieser konkreten Absicht mobil zu machen, eine Schicksalsgemeinschaft des ganzen deutschen Volkes um die Bundeswehr zu schmieden, darum geht es der Bundesregierung mit Billigung der Bremer Landesregierung. Deshalb die öffentliche Vereidigung.“[5]

Der geplante Protest fand selbst innerhalb der SPD Zuspruch und zeigte den sich abzeichnenden Widerspruch zwischen Parteibasis und –führung auf, wie er auch bereits in der Atompolitik offensichtlich geworden war. Die Polizei ging im Vorfeld der Gelöbnisfeier davon aus, dass es zur Vermischung der diversen Demonstrationszüge kommen könnte, wodurch Militante in der breiten Masse der überwiegend friedlich Protestierenden untertauchen könnten.

Am Tag selbst traf sich die Prominenz aus Politik und Heer zunächst zu einem Empfang im Bremer Rathaus, während sich auf den Straßen das Chaos abzuzeichnen begann. Apel und Carstens wurden per Helikopter ins Stadion eingeflogen. Andere hochrangige Teilnehmer mussten sich dagegen auf Schleichwegen durch Schrebergartenkolonien zum Weserstadion begeben, um den Straßenschlachten zu entgehen.[6]

Ein Untersuchungsbericht des Bundestages skizzierte den folgenden Ablauf des Abends: Um 18.30 Uhr brachen Militante erstmals eines der Stadiontore auf, kurz darauf konnten sie jedoch von Polizisten und Soldaten zurückgedrängt werden. Ein Bus der Bundeswehr war da bereits umgestürzt und angesteckt worden.[7]

Die Zahl der Gewalttäter bezifferte sich auf etwa 300 bis 1000, die mit Steinen, Stangen und Molotowcocktails bewaffnet waren. Die Gesamtzahl aller anwesenden Demonstranten an jenem Tag wurde im Untersuchungsbericht auf maximal 15.000 geschätzt. Im Verlauf des Abends konnten seitens des Sicherheitspersonals weitere Angriffe auf das Weserstadion selbst verhindert werden. Dort fanden ohne weitere Zwischenfälle vor etwa 9000 Zuschauern Großer Zapfenstreich und Gelöbnis statt.

Ganz anders dagegen die Zustände außerhalb, wo Polizisten und Gelöbnisgegner einander durch die Straßen jagten. Das Ausmaß der Gewalt kam für die Ordnungshüter völlig überraschend, sie verloren auch bald den Überblick. So etwa als friedliche Demonstranten eine Kette zwischen Polizei und Militanten zu bilden versuchten, diese aber durch massiven Einsatz von Wasserwerfern aufgelöst wurde.

Staatliche Kritik erfuhr später Radio Bremen, wo in einer Livesendung im Jugendprogramm „Großer Popkarton“ für die Anliegen der Demonstranten Partei ergriffen wurde. Die Texte der dazwischen gesendeten Musiktitel, fanden sogar Eingang in den bereits zitierten Bericht des Untersuchungsausschusses: „Was ist uns das Leben wert// wenn die SPD regiert, //wie das Kapital diktiert// in der BRD// schnell ein neues Notgesetz// Maulkorb, Razzien, Spitzelnetz// alle Linken in KZ’s// in der BRD.“[8]

Die Bilanz der Schlacht liest sich verheerend: Die Polizei meldete 257 verletzte Beamte, die Bundeswehr lediglich drei Verletzte. Wenigstens 50 Demonstrierende mussten behandelt werden, wobei die Dunkelziffer weitaus höher gelegen haben dürfte. Die Bilder von ausgebrannten Fahrzeugen der Bundeswehr gingen schon unmittelbar nach den Unruhen durch die bundesdeutschen Medien. Das legitime Anliegen der friedlichen Demonstranten war völlig in den Hintergrund geraten.

Die Sicherheitsbehörden zogen aus dem Bremer Chaos offenbar die für sie richtigen Schlüsse und konnten ähnliche Vorkommnisse im November 1980 verhindern, als in der Bundeshauptstadt Bonn ein weiteres öffentliches Gelöbnis stattfand. Die Fernsehübertragung allerdings wurde dort durch etwa 300 Gelöbnisgegner massiv gestört.[9]

Im Nachhinein warfen der Protest in Bremen und die innere Zerrissenheit der SPD bereits ein Schlaglicht auf den Bruch der sozialliberalen Koalition zwei Jahre darauf. In der SPD begehrte der linke Flügel auf, der das Gelöbnis massiv kritisiert hatte und ebenso den NATO-Doppelbeschluss ablehnte, den Bundeskanzler Schmidt forcierte. Umgekehrt versuchte Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat der Union die Bremer Ereignisse für seinen Wahlkampf im selben Jahr zu instrumentalisieren.

Für diverse K-Gruppen, die in den 1970er Jahren am Rande des linken politischen Spektrums ihr Dasein fristeten, stellten die Proteste gegen die Gelöbnisse ihren letzten großen Auftritt dar. Sie verloren sich alsbald in inneren Konflikten, viele ihrer Mitglieder fanden bei den gerade erst gegründeten Grünen eine neue politische Heimat.

Bundeswehrgelöbnisse verschwanden für mehrere Jahre wieder aus dem öffentlichen Umfeld und wurden auf Kasernenhöfen durchgeführt. Erst in der Berliner Republik wurde dieses Zeremoniell wieder forciert und vielfältig öffentlichkeitswirksam abgehalten, wie etwa vor dem Berliner Reichstag. Die Proteste dagegen sollten nie wieder den Grad an Gewalt wie in Bremen erreichen.

Literatur

  • Bericht des Verteidigungsausschusses als 2. Untersuchungsausschuß nach Artikel 45 a Abs. 2 Grundgesetz zu dem Antrag der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU im Verteidigungsausschuß auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der Vorgänge im Zusammenhang mit den blutigen Krawallen anläßlich des öffentlichen Gelöbnisses von Bundeswehrsoldaten am 6. Mai 1980 Im Bremer Weserstadion. Bonn. 1980.
  • Bösch, Frank. Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann. München. 2019.
  • Hammerich, Helmut R. »Stets am Feind!« Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. Göttingen. 2019.
  • Hezel, Lukas Jonathan. „Was gibt es zu verlieren, wo es kein Morgen gibt?“ Chronopolitik und Radikalisierung in der Jugendrevolte 1980/81 und bei den Autonomen. In: Esposito, Fernando (Hg.). Zeitenwandel. Transformation geschichtlicher Zeitlichkeit nach dem Boom. Göttingen. 2017. S. 119-153.
  • Regener, Sven. Neue Vahr Süd. Frankfurt am Main. 15 2006.
  • Signale überhört. In: Der Spiegel. Nr. 20/1980. S. 25-27.

[1] Regener, Sven. Neue Vahr Süd. Frankfurt am Main. 15 2006. S. 602.

[2] Bösch, Frank. Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann. München. 2019. S. 120

[3] Hezel, Lukas Jonathan. „Was gibt es zu verlieren, wo es kein Morgen gibt?“ Chronopolitik und Radikalisierung in der Jugendrevolte 1980/81 und bei den Autonomen. In: Esposito, Fernando (Hg.). Zeitenwandel. Transformation geschichtlicher Zeitlichkeit nach dem Boom. Göttingen. 2017. S. 119-153. Hier: S. 121.

[4] Signale überhört. In: Der Spiegel. Nr. 20/1980. S. 25-27.

[5] Bericht des Verteidigungsausschusses als 2. Untersuchungsausschuß nach Artikel 45 a Abs. 2 Grundgesetz

zu dem Antrag der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU im Verteidigungsausschuß auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der Vorgänge im Zusammenhang mit den blutigen Krawallen anläßlich des öffentlichen Gelöbnisses von Bundeswehrsoldaten am 6. Mai 1980 Im Bremer Weserstadion. Bonn. 1980. S. 15.

[6] Signale überhört. In: Der Spiegel. Nr. 20/1980. S. 25-27.

[7] Bericht des Verteidigungsausschusses. S. 18.

[8] Ebd. S. 19.

[9] Hammerich, Helmut R. »Stets am Feind!« Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990. Göttingen. 2019. S. 420.

Wie der Hauptmann zum Henker wurde

Vor 75 Jahren endete auch in Norddeutschland der Zweite Weltkrieg. Vielerorts wurden kurz zuvor noch Endphaseverbrechen begangen, brutale Morde an KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern, Gefangenen, und Zivilisten. Im Emsland spielte sich eine Tat ab, die besonders irrsinnig wirkt. Der Täter war ein junger Hochstapler. – Von Florian Tropp

All dressed in uniforms so fine

They drank and killed to pass the time

Wearing the shame of all their crimes

With measured steps, they walked in line

(Joy Division, They walked in line, 1978)[1]

Nun stand er also auf dem Appellplatz des Gefangenenlagers. Die Uniform des Hauptmanns saß tadellos, sein schneidender Blick musterte die Angetretenen. So hatten sich die Verantwortlichen vor Ort das erhofft. Endlich war jemand da, der Ordnung schaffen würde. Mit Befehl von allerhöchster Stelle, vom „Führer“ persönlich.

Doch nichts davon war echt: Willi Herold, so der Name des Hauptmanns, war im April 1945 erst 19 Jahre alt. Er war nie an einer Militärakademie gewesen, er war bloß einfacher Gefreiter. Natürlich hatte er keine Befehle direkt von Hitler entgegen genommen. Dennoch glaubten die Verantwortlichen vor Ort daran, sie wollten es womöglich auch nur allzu gerne.

Bis hierher könnte der Leser annehmen, es handele sich möglicherweise um eine amüsante Episode wie die des Hauptmanns von Köpenick. Doch Herold schlug innerhalb weniger Tage eine tödliche Schneise durch das Emsland. Seine Männer mordeten im Dutzend internierte Deserteure, vermeintliche Spione und unbescholtene Leute vom Dorf, die den Wahnwitz des Kampfes bis zum letzten Mann für den „Endsieg“ nicht mehr mitmachen wollten.

Dass es im Frühjahr 1945 noch zu einer Vielzahl von Endphaseverbrechen kam, wo doch der Ausgang des Krieges bereits eindeutig war, hat die Geschichtsforschung lange beschäftigt. Vielerorts wurde mit blindem Fanatismus weitergekämpft und in letzter Sekunde Verbrechen an Menschen verübt, die das NS-Regime als „minderwertig“ stigmatisiert hatte. Insgesamt 288 solcher Massaker wurden allein von Justizbehörden der Bundesrepublik aufgearbeitet. 114 dieser Verfahren hatten Erschießungen von Häftlingen oder Fremdarbeitern zum Inhalt, in aller Regel waren Angehörige von Gestapo, Polizei und Volkssturm angeklagt.[2]

Was derweil über Willi Herold bekannt ist, stammt im Wesentlichen aus Aussagen gegenüber seinen britischen Vernehmern, denen er im Verhör nach Kriegsende gegenübersaß. Und es lässt sich konstatieren: Er war offenbar ein ganz normaler junger Mensch. Wäre der Krieg nicht gewesen, Herold wäre womöglich nie aus seiner sächsischen Heimat hinausgekommen und hätte ein Berufsleben im krisensicheren Job eines Schornsteinfegers verbracht.

Angeblich sei er ein Freidenker gewesen, der als Jugendlicher aus der Hitlerjugend ausgeschlossen worden sei, was freilich allein auf seiner Aussage beruhte.[3] Kurz nach seinem 18. Geburtstag wurde der Schornsteinfeger zur Wehrmacht eingezogen, kämpfte vornehmlich an der italienischen Front, im Frühjahr 1945 befand sich seine Kompanie jedoch im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Hier verlor er am 3. April den Kontakt zu seiner Truppe und irrte zunächst allein umher.

Herold kam der Zufall zu Hilfe, als er in der Grafschaft Bentheim ein liegengebliebenes Auto entdeckte, darin eine Kiste samt der Uniform eines Hauptmanns der Luftwaffe. Kurzerhand zog Herold die Uniform an. Allein stand Herold auf der Straße, als Hauptmann, aber ohne Untergeben. Kurz darauf aber wurde der Obergefreite Reinhard Freitag auf ihn aufmerksam, der ebenfalls allein durchs Niemandsland irrte. Binnen kurzer Zeit unterstellten sich weitere Soldaten dem Kommando des „Hauptmanns“, der erstmals ein Gefühl von Macht und Befehlsgewalt spürte. Herold begann nun sich in seiner neuen Rolle zu sonnen.

Sein Trupp begab sich nach Meppen, wurde dort vorübergehend entwaffnet, ehe sich ein anderer Offizier für den falschen Hauptmann verbürgte und seine Soldaten wieder in den Besitz ihrer Gewehre und Pistolen kamen. Offenbar beeindruckte Herold schnell in seiner neuen Rolle als schneidiger Offizier. Sein jugendliches Alter irritierte nicht, in die ausgedünnten gehobenen Dienstränge steigen in den letzten Kriegswochen viele junge Männer auf. Auf Vermittlung der NSDAP-Dienststelle in Haren/Ems erhielt Herold gar einen LKW und einen PKW für sich, zudem konnte er ein Flak-Geschütz requirieren.[4] Kleine Vorstöße in Richtung Front blieben jedoch erfolglos.

Am 11. April gegen 11.30 Uhr erschien Herold, mitsamt seiner Garde, im Lager Ascherdorfermoor II, wahrscheinlich mit dem Ziel, dort an weiteren Kraftstoff für die Fahrzeuge zu gelangen.[5] Zum Großteil waren dort Militärstrafgefangene interniert. Die Verantwortlichen der Lagermannschaft waren hocherfreut über die Ankunft des jungen Hauptmanns, der vermeintlich von Hitler selbst den Befehl hatte, hinter der Front für Ordnung zu sorgen.

Die Lager im Emsland gehörten zu den frühesten organisierten Einrichtungen dieser Art im nationalsozialistischen Deutschland. Sie waren der Justizbehörde unterstellt, anders als die zahlreichen Lager, die der SS zugeteilt waren. Einen furchterregenden Ruf hatten sie dennoch von Beginn an. Mit primitiven Mitteln sollten die Häftlinge die Moorlandschaft kultivieren. Das von einigen der ihren gedichtete „Moorsoldatenlied“, das ihren brutalen Alltag behandelte, war bald über den Mikrokosmos der Konzentrationslagers hinaus bekannt. Ab Kriegsbeginn wurden in den 15 Lagern im deutsch-niederländischen Grenzgebiet immer mehr „wehrunwürdig“ gewordene Personen eingesperrt. 1944 waren 55% aller deutschen Militärstrafgefangenen in den Emslandlagern interniert.[6]

Karl Schütte, der Chef der Wachmannschaft in Aschendorfermoor II, erwähnte Herold gegenüber die Probleme im überbelegten Lager. Dort waren in den vergangenen Tagen mehrere Gruppen von Häftlingen aus bereits aufgelösten Lagern angekommen. Zudem seien mehrere Gefangene geflohen und terrorisierten nun die Umgebung. Ob Herold nicht ein Standgericht verfügen könne, um wieder Ordnung zu schaffen, fragte er. Dass damit letztlich die Erschießung der Häftlinge gemeint war, war beiden klar.

Exemplarisch wird hier der Charakter der im NS-Staat personalisierten Herrschaft Hitlers deutlich. Eine Verfassung, die seinen Handlungsspielraum in irgendeiner Form eingeschränkt hätte, existierte nicht. Die Weimarer Verfassung war suspendiert worden, juristisch herrschte der Ausnahmezustand in Deutschland. Es gab keine höhere Instanz als das Wort Hitlers, auf das sich die Akteure hier beriefen. Der Staatsrechtler Carl Schmitt hatte schon im Rahmen des „Röhm-Putsches“ 1934 postuliert: „Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Mißbrauch [sic], wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft.“[7] Da Hitler zugleich Oberbefehlshaber der Wehrmacht war, galt dies auch in Kriegszeiten.

Herolds vorgeblicher Befehl von allerhöchster Stelle hebelte umgehend die Hierarchie im Lager aus, die Wachleute von SA und Volkssturm waren nun vom Veto der Lagerleitung entkoppelt. Der Hauptmann inspizierte zunächst das Lager, gab sich herrisch und berauschte sich offenbar an seiner Macht über die Gefangenen. Schon jetzt scherte er sich nicht mehr um Dienstwege, die ersten fünf Häftlinge wurden hier bereits erschossen.

Die lokalen Autoritäten der Justiz wurden völlig überrumpelt von der Situation. Lagerleiter Hansen hielt Rücksprache mit seinem Vorgesetzten Thiel in Papenburg. Herold und Schütte holten sich derweil bei der örtlichen Dienststelle der NSDAP die Erlaubnis für ihr Massaker. Am 12. April trat Herold, begleitet von zwölf seiner Männer, vor die angetretenen Häftlinge. Er sprach laut, bündig und seine Aussagen ließen keine Fragen darüber zu, was er vorhatte: „Keiner soll sich einbilden davonzukommen. Es werden alle umgelegt!“[8]

Umgehend wurden zwei Gefangene getötet, die aus der Herkunftsregion des Hauptmanns stammten, den zweiten erschoss er persönlich. Basierend auf einer Liste von 400 Regimegegnern, die Thiel zusammengestellt hatte, wählten Schütte und Herold wahllos 96 Männer aus, die am Abend von dem in Meppen besorgten Flakgeschütz niedergemäht wurden. Als das Geschütz versagte, vollendeten sie ihre Tat mit Gewehrschüssen und Granaten. Es wurden keine Mühen unternommen, den Morden durch ein Standgericht ein juristisches Mäntelchen umzuhängen.

Am nächsten Tag ging das Morden weiter, zunächst im Lager, anschließend durchkämmten Herolds Männer und Angehörige der Wachmannschaften die Umgebung nach entflohenen Häftlingen und fanden weitere Opfer. Niemand hinterfragte die Herkunft des Hauptmanns, der so plötzlich aus Aschendorfermoor verschwunden war, wie er erschienen war: Denn nachdem britische Bomber das Lager am 19. April schwer getroffen hatten, brachen Herold und seine Einheit umgehend ihre Zelte ab.

Die unheilvolle Soldateska zog weiter, auf der Suche nach Unterkunft und Zerstreuung, frei nach dem Motto: „Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich.“ Staatliche Autorität existiert nicht mehr, Herolds Kompanie hatte das Gewaltmonopol inne. Davon machte sie weiterhin ausführlich Gebrauch, ein Hauch von Wilder Westen, aber mit mörderischem Ernst.

In Papenburg erhängten sie den Landwirt Nicolaus Spark, der eine weiße Fahne gehisst haben soll.[9] In Leer fielen Herold fünf Niederländer in die Hände, die verschleppte Zwangsarbeiter retten wollten. Wie zuvor in Aschendorfermoor hebelte er die juristische Hierarchie aus, befahl ein Standgericht und ließ die Gefangenen nach zehn Minuten Schauprozess als Spione erschießen. Nirgendwo stellte ihm sich jemand in den Weg.

Seine Glückssträhne endete kurz darauf in Aurich, wo die Feldgendarmerie ihn aufgriff. Wie durch ein Wunder wurde er durch kein Armeegericht zum Tode verurteilt, sondern sollte sich in einem Sonderbataillon bewähren. Vielen Angehörigen in Wehrmacht und Gestapo imponierte Herold offenbar immer noch.

So konnte er noch für einige Wochen untertauchen, ehe ihn die Briten in Wilhelmshaven festnahmen. Erst jetzt kam das ganze Ausmaß der Taten ans Licht. Mindestens 136 Männer waren in Ascherdorfermoor ermordet worden, dazu eine unbekannte Zahl weiterer Häftlinge und Zivilisten.[10]

Kann es eine Antwort für eine vollkommen grundlose Tat wenige Tage vor Kriegsende geben? Selbst Herold konnte sie nicht genau erklären, vor Gericht gab er zu Protokoll: „Warum ich nun eigentlich die Leute im Lager erschossen habe, kann ich gar nicht einmal sagen.“[11] Herold, Schütte und fünf weitere Angeklagte wurden zum Tode verurteilt und am 14. November 1946 in Wolfenbüttel enthauptet.

Literatur

  • Curtis, Deborah; Savage, Jon (Hgg.). So This is Permanence. Joy Division Lyrics and Notebooks. London. 2014.
  • Garbe, Detlef (Hg.). Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik. Merten-Bornheim. 1983.
  • Hensmann, Menna. Dokumentation Leer 1933-1945. Leer. 2001.
  • Hermanns, Stefan. Carl Schmitts Rolle bei der Machtkonsolidierung der Nationalsozialisten. Ein. Engagement auf Zeit. Neubiberg. 2017.
  • Kershaw, Ian. Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45. München. 2011.
  • Knoch, Habbo. Die Emslandlager 1933-1945. In: Benz, Wolfgang; Distel, Barbara. Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 2. München. 2015. S. 533 – 571.
  • Krogmann, Karsten. Der Mörder mit der Ordensbrust. Veröffentlicht unter: https://www.nwzonline.de/region/der-moerder-mit-der-ordensbrust-der-moerder-mit-der-ordensbrust_a_15,0,1418329946.html
  • Peters, Heinrich; Peters, Inge. Pattjackenblut. Antreten zum Sterben – in Linie zu 5 Gliedern. Das „Herold“-Massaker im Emslandlager II Aschendorfermoor im April 1945. Norderstedt. 2014.
  • Pfaffenzeller, Martin. Kleider machen Mörder. Veröffentlicht unter: https://www.spiegel.de/geschichte/massenmoerder-willi-herold-der-henker-vom-emsland-a-1159937.html

[1] Curtis, Deborah; Savage, Jon (Hgg.). So This is Permanence. Joy Division Lyrics and Notebooks. London. 2014. S. 25.

[2] Kershaw, Ian. Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45. München. 2011. S. 407.

[3] Pfaffenzeller, Martin. Kleider machen Mörder. Veröffentlicht unter: https://www.spiegel.de/geschichte/massenmoerder-willi-herold-der-henker-vom-emsland-a-1159937.html, zuletzt aufgerufen am 18. April 2020, 12.00 Uhr.

[4] Peters, Heinrich; Peters, Inge. Pattjackenblut. Antreten zum Sterben – in Linie zu 5 Gliedern. Das „Herold“-Massaker im Emslandlager II Aschendorfermoor im April 1945. Norderstedt. 2014. S. 176.

[5] Ebd. S. 182.

[6] Knoch, Habbo. Die Emslandlager 1933-1945. In: Benz, Wolfgang; Distel, Barbara. Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 2. München. 2015. S. 533 – 571. Hier: S. 552.

[7] Hermanns, Stefan. Carl Schmitts Rolle bei der Machtkonsolidierung der Nationalsozialisten. Ein. Engagement auf Zeit. Neubiberg. 2017. S. 290.

[8] Peters. Pattjackenblut. S. 199.

[9] Hensmann, Menna. Dokumentation Leer 1933-1945. Leer. 2001. S. 430.

[10] Peters. Pattjackenblut. S. 230.

[11] Krogmann, Karsten. Der Mörder mit der Ordensbrust. Veröffentlicht unter: https://www.nwzonline.de/region/der-moerder-mit-der-ordensbrust-der-moerder-mit-der-ordensbrust_a_15,0,1418329946.html, zuletzt aufgerufen am 18. April 2020, 12.00 Uhr.

Als der Fußball in Deutschland erstmals rollte

Derzeit ruht das runde Leder, das Coronavirus hat den Fußball fest im Griff. Das Innehalten bietet Gelegenheit zum Blick auf ein vergessenes Jubiläum: Denn vor 140 Jahren wurde in Deutschland erstmals gegen den Ball getreten. Die Spur führt nach Bremen und wirft ein Schlaglicht auf die Entwicklung des Sports. – Von Florian Tropp

Fußball ist heute vielleicht das letzte Massenphänomen unserer Gesellschaft. In einer Zeit immer stärkerer sozialer Segmentierung ist es eines der ganz wenigen Ereignisse, das Zuschauer aller Herkunft, politischer und religiöser Einstellung, gleichermaßen in seinen Bann zieht. Der Zuschauerschnitt der 1. Bundesliga liegt pro Spiel verlässlich bei über 40.000 Zuschauern.[1]

Längst ist der Fußball in der Mitte der Gesellschaft angekommen und auf Profiebene komplett kommerzialisiert. Der wilde Proletensport, als der er noch vor 30 Jahren galt, hat sich grundlegend gewandelt. Der Stadionbesuch ist heute komfortabel, die Spielkunst ausgefeilter als je zuvor, die Choreografien der Fanszenen so spektakulär wie nie. Bis hierher war es ein weiter Weg.

Als Mutterland des Fußballs gilt heute Großbritannien, wenngleich an vielen anderen Orten zuvor bereits gegen den Ball getreten worden war. Der spätere Ballsport glich dabei eher noch einer zünftigen Wirtshausschlägerei als einem fairen Ringen um Tore. An britischen Eliteschulen wurden im 19. Jahrhundert erstmals konkrete Regelwerke aufgestellt.

Bei Aufeinandertreffen von Schülerteams aus Eton und Rugby in Cambridge war es zu Unstimmigkeiten gekommen. Der Zeitzeuge Henry Charles Malden beschrieb 50 Jahre später, dass die Spieler aus Eton jene aus Rugby anschrien, da sie stets den Ball in die Hände nahmen. Also trafen sich Repräsentanten beider Schulen und arbeiteten ein erstes Regelwerk aus.[2] Diese „Cambridge Rules“ von 1848 legten fest, dass das Spielgerät – zumindest überwiegend – mit dem Fuß zu spielen sei, was als ein „Tor“ galt und auch das „Abseits“ fand sich bereits darin.

Rugby und der spätere Fußball bildeten noch eine enge Koexistenz, die erst 1863 enden sollte. Grund der Scheidung war hauptsächlich die Frage, wie robust der Sport gestaltet werden sollte: Viele der feinen Gentlemen, die von den besten britischen Hochschulen kamen, fanden es absurd, dass fortan auf das rüde Treten gegen die Schienbeine des Gegners verzichtet werden sollte. Die Verfechter des Rugbys gingen fortan ihrer eigenen Wege, ihre Gegner frönten dem, was man nun „Association Football“ nannte und riefen die FA („Football Association“), ihren eigenen Verband, ins Leben.

Allmählich wurde der Spielbetrieb strukturierter und mehr und mehr Regeln verliehen dem Sport klare Grundlinien, Wettbewerbe forcierten den Leistungsgedanken. Eck- und Freistoß fanden bald Eingang ins Regelwerk, die Spielerzahl pro Mannschaft wurde auf elf begrenzt. Seit 1872 wird der FA Cup ausgetragen, dessen Finalisten sich seitdem jedes Jahr in London gegenüberstehen.

Es war im 19. Jahrhundert nur eine Frage der Zeit, bis britische Seeleute das populäre Spiel in die Welt tragen würden. Paradoxerweise war es allerdings die Schweiz, wo 1860 der erste Fußballklub außerhalb Großbritanniens gegründet wurde.[3]

Auch im Deutschen Reich fanden erste zaghafte Versuche statt, den Sport populär zu machen. Hier waren die Bedingungen jedoch ungleich härter als anderswo. Denn in Deutschland dominierte der Turnsport, der nicht einfach nur Zeitvertreib, sondern vielmehr Symbol des wilhelminischen Patriotismus war – auswärtige Sportarten galten dagegen als subversiv und verdächtig.

Wo zuerst gemäß den Regeln der FA auf deutschem Boden gegen den Ball getreten wurde, ist umstritten, angeblich im April 1874 in Dresden.[4] Seit Langem im Fokus ist ebenfalls Braunschweig; hier war es der Pädagoge Konrad Koch, der viele Jahre in Großbritannien gelebt hatte und den Sport seinen Gymnasiasten vorstellte. Ebenfalls haben Historiker Berlin als den Ort der deutschen Fußballpioniere im Blick, hier boten viele Exerzierplätze Raum zum Ballspiel.

Trotz alledem darf Bremen nicht vergessen werden. Inzwischen erscheint es gar sehr wahrscheinlich, dass in der Hansestadt erstmals in Deutschland wirklicher Fußball gespielt wurde – und eben keine Mischform aus Rugby und Fußball. Die Geschichte des ersten Bremer Klubs beginnt im Jahr 1880.[5]

Wie andernorts, waren es britische Seeleute, die hier den Fußball mitgebracht hatten. Und sie waren auch – mangels anderer lokaler Gegner – stets die Gegner des Bremer Football-Clubs. Die Quellenlage über den Verein ist leider recht dünn, die Hintergründe liegen „weitestgehend unter einem bislang kaum erforschten Berg regionaler Fußballhistorie begraben […].“[6] Über viele Umstände lässt sich dabei nur mutmaßen und zur Rekonstruktion müssen die Umstände an anderen Orten als Vergleich herangezogen werden.

So dürften die Spieler im Bildungsbürgertum verwurzelt und noch im jugendlichen Alter gewesen sein. Oftmals, wie schon im Falle des Braunschweigers Konrad Koch, begeisterten weitgereiste Lehrer ihre Schüler für den neuen Sport aus England. Von seiner gesellschaftlichen Akzeptanz war der Fußball jedoch noch weit entfernt, in weiten Teilen des Bürgertums herrschte Skepsis gegenüber dem „undeutschem“ Spiel.

Viele der Söhne aus gehobenem Hause traten daher damals unter Pseudonym gegen die Lederkugel. Einige der ersten DFB-Nationalspieler sollten noch unter Decknamen auflaufen, so der Magdeburger Ernst Langmeier als „Ernst Jordan“, der Hamburger Kicker Hermann Ehlers firmierte unter dem Nachnamen „Garrn“. So umgingen die Spieler Sanktionen ihrer jeweiligen Schulleitung, denn an vielen Bildungseinrichtungen war der Fußballsport den Schülern grundsätzlich untersagt.

In Bremen dürfte dies in den 1880er Jahren nicht viel anders gewesen sein, wenngleich Fußball noch zu unbekannt gewesen sein mag, um als derart verpönt zu gelten. Spielort war die Schweineweide unweit der Stephanikirche. Die Gegend ist heute ein Industrieviertel nahe des Europahafens.[7]

Irgendwann in den Folgejahren benannte sich die kleine Truppe in „Fußballverein Bremen von 1880“ um und unterstrich so ihre Pionierrolle. In der Lokalpresse tauchte der Klub erstmals am 26. März 1886 auf, als die „Bremer Nachrichten“ ihn erwähnte. Dieser Notiz verdankt der Historiker einen der wenigen greifbaren Hinweise auf die Existenz der Bremer Kickergemeinschaft.[8]

Nach dem Vorbild des ersten Bremer Vereins gründeten sich in den 1890er Jahren weitere Klubs in der Hansestadt. Nicht auszuschließen ist dabei, dass Angehörige des FV Bremen 1880 jeweils ihr eigenes Know-How einbrachten. Über den Status einer bolzenden Schülertruppe verschiedener Gymnasien kam der FV von 1880 wohl nie hinaus.

Vereine wie der Bremer SC 1891, der FC Komet und vor allem Werder liefen den Vorreitern bald den Rang ab. Als 1899 der „Verband Bremer Fußball-Vereine“ aus der Taufe gehoben wurde, war der FV noch dabei. Im Jahr darauf kickten Werder und der FV nachweislich in einem Freundschaftsspiel gegeneinander. Als die wenigen Bremer Klubs aber erstmals 1902 eine Liga bildeten, fehlte der FV von 1880 bereits. Er teilt damit das Schicksal vieler anderer Vereine aus der wilden Frühzeit des deutschen Fußballs. Viele lose Vereinigungen lösten sich schnell wieder auf und sind heute nur noch bekannt, da sie einige wenige Spiele gegen Klubs absolvierten, die heute noch prominent sind.

Die Entwicklung des Fußballs, die die Bremer Veteranen mit angestoßen hatten, trug schon wenige Jahre darauf Früchte. Ab 1903 wurde im K.o.-System eine Deutsche Meisterschaft ausgetragen. Bereits 1913 gelang im Norden die Gründung einer Eliteklasse, der Teams aus den heutigen Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen angehörten, zu einem Zeitpunkt, als vielerorts in den höchsten Liga nur Mannschaften aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern spielten. Doch bis zur Gründung der Bundesliga sollte noch ein halbes Jahrhundert vergehen.

Literatur

  • Baroth, Hans Dieter. Als der Fussball laufen lernte. Essen. 1992.
  • Dunning, Eric; Curry, Graham. Public schools, status rivalry and the development of football. In: Dunning, Eric; Malcolm, Dominic; Waddington, Ivan. Sport Histories. Figurational Studies in the Development of Modern Sports. Routledge, New York. 2004. S. 31-53.
  • Grüne, Hardy. Legendäre Fußballvereine. Norddeutschland. Zwischen TSV Achim, Hamburger SV und TuS Zeven. Kassel. 2004.
  • Hoffmeister, Kurt. Der Wegbereiter des Fußballspiels in Deutschland. Prof. Dr. Konrad Koch 1846–1911. Eine Biografie. Braunschweig. 2011.
  • Schulze-Marmeling, Dietrich. Fußball. Zur Geschichte eines globalen Sports. Göttingen. 2000.

[1] https://www.dfb.de/bundesliga/statistik/zuschauerzahlen/, zuletzt aufgerufen am 23. März 2020 um 18.00 Uhr.

[2] Dunning, Eric; Curry, Graham. Public schools, status rivalry and the development of football. In: Dunning, Eric; Malcolm, Dominic; Waddington, Ivan. Sport Histories. Figurational Studies in the Development of Modern Sports. Routledge, New York. 2004. S. 31-53. Hier: S. 48.

[3] Schulze-Marmeling, Dietrich. Fußball. Zur Geschichte eines globalen Sports. Göttingen. 2000. S. 48.

[4] Hoffmeister, Kurt. Der Wegbereiter des Fußballspiels in Deutschland. Prof. Dr. Konrad Koch 1846–1911. Eine Biografie. Braunschweig. 2011. S. 32.

[5] Baroth, Hans Dieter. Als der Fussball laufen lernte. Essen. 1992. S. 35.

[6] Grüne, Hardy. Legendäre Fußballvereine. Norddeutschland. Zwischen TSV Achim, Hamburger SV und TuS Zeven. Kassel. 2004. S. 161.

[7] Ebd. S. 161.

[8] Ebd. S. 161.

Friedrichstadt – Fluchtpunkt an der Eider

Friedrichstadt in Schleswig-Holstein feiert in Kürze seinen 400. Geburtstag. Die kleine Stadt war als Zufluchtsort für niederländische Siedler konzipiert, die in ihrer Heimat verfolgt wurden. Die hochfliegenden Pläne des Gottorfer Herzogs konnten die Neuankömmlinge jedoch nie erfüllen – und kämpften mit vielfältigen Problemen. – Von Florian Tropp

Man kennt den Ort als „Holländerstadt“ – und das nicht von ungefähr: Wer durch Friedrichstadt schlendert, der könnte meinen, in einer niederländischen Kleinstadt angekommen zu sein. Der Mittelburggraben, eine Gracht, ist die zentrale Achse des Ortes. Flankiert wird sie von Kaufmannshäusern, fast wie an der Prinsengracht in Amsterdam. Das einzige was fehlt, sind die Unmengen an Fahrrädern.

Die Ähnlichkeit zum Nachbar im Westen ist kein Zufall, waren es doch Siedler aus den Niederlanden die zu den ersten Bewohnern dieser Ortschaft zählten. 1620 verkündete Herzog Friedrich III. einen Erlass, wonach vornehmlich Angehörige der niederländischen Remonstranten sich an der Mündung der Treene in die Eider niederlassen durften. Im Jahr darauf wurden die ersten Häuser fertiggestellt, das 400-jährige Jubiläum feiert Friedrichstadt in diesem Jahrzehnt ausführlich. Was aber versprachen der Herzog und die Siedler sich von diesem Projekt?

Friedrich verfolgte ehrgeizige Pläne: Als der junge Adlige mit 18 Jahren 1616 die Herzogswürde über Gottorf übernahm, war er bereits weit gereist und hochgebildet. Der kleine Staat sollte aus dem Schatten des übermächtigen dänischen Nachbarn treten, dessen König letztlich die Oberhoheit in Friedrichs Ländereien innehatte.

Über den Handel versuchte er sich von der Dominanz Dänemarks zu emanzipieren. Eine Expedition unter Adam Olearius entsendete er gar bis nach Russland, wo er mit dem Zaren verhandelte, danach zog er noch weiter nach Persien. Ein Handelsvertrag kam jedoch weder mit der einen noch der anderen Partei zustande.[1]

Zudem versuchte Friedrich eine Strategie Dänemarks zu kopieren; die Ansiedlung andernorts Verfolgter zum eigenen Nutzen. Der dänische König Christian IV. hatte 1617 die Gründung Glückstadts initiiert, das schnell zum Anlaufpunkt für sephardische Juden und Reformierte aus den Spanischen Niederlanden geworden war. Doch diese Toleranz darf keinesfalls mit der des 21. Jahrhunderts verwechselt werden, die Behörden versperrten einigen Gruppen gezielt den Zuzug, so etwa rigoros Katholiken.[2]

Wie auch in Glückstadt, so waren in Friedrichstadt vor allem Menschen niederländischer Herkunft als neue Untertanen seitens der Autoritäten erwünscht. Dies verwundert nicht: Von der friesischen Küste aus waren bereits seit dem Mittelalter Siedler im heutigen Schleswig-Holstein angelandet.

Dort brachten sie ihre speziellen Kompetenzen mit ein, nicht nur wirtschaftlich, sondern ebenso technologisch. Ihr Wissen um den Deichbau war vielgefragt, die Küste war von Sturmfluten schwer gepeinigt. Um 1500 gingen die Deichbauer unter holländischer Anleitung daran, nicht mehr nur defensiv zu denken, sondern durch die Küstensicherung dem Meer auch offensiv Land abzutrotzen.[3]

Für Landesherrn ergaben sich durch die Migration neue Optionen zur Machtfestigung. Einerseits konnte durch die Siedler neues Land erschlossen werden, ebenso waren die Migranten dem Staat in aller Regel treu ergeben. Dies war im Absolutismus eine hervorragende Strategie, um die eigene Macht zu stärken und alteingesessene lokale Eliten zu schwächen. Niederländer waren zudem in Handelsfragen bestens vernetzt, Niederländisch war in der Frühen Neuzeit geradezu die Alltagssprache im Nordseeraum.[4]

Durch persönliche Fürsprache einzelner Personen beim Herzog gelang in Gottorf eine schnelle Kontaktaufnahme zu religiösen Gruppierungen in den Niederlanden, die als Siedler infrage kamen. Von besonderem Interesse waren hierbei die Remonstranten, die seit 1619 Verfolgungen in ihrer Heimat ausgesetzt waren. Neben den Remonstranten versuchte man ebenso Mennoniten an Treene und Eider zu locken.

Herzog Friedrich reagierte schnell und setzte ein Schreiben („Oktroy“) auf, das die Vorzüge aufzeigte, die Migranten in Friedrichstadt genießen würden. Darunter waren so angenehme Konditionen wie zwanzig Jahre Steuerfreiheit, eine eigenständige städtische Verwaltung des Hafens und die Freiheit von Einquartierungen von Soldaten.[5]

Die Hoffnungen auf eine Belebung in den eigenen Ländereien durch Niederländer waren seitens der herzoglichen Kanzlei hoch. Dass  aber das Ziel bestanden habe, Friedrichstadt auf das Level Hamburgs zu heben, darf getrost als nachträgliche Interpretation betrachtet werden. Hamburg hatte damals bereits über 40.000 Einwohner, Kiel dagegen, die größte Stadt im Herzogtum Gottorf, knackte erst Mitte des 17. Jahrhunderts die Marke von 3.000 Einwohnern. Den meisten Würdenträgern im Herzogtum war die Hansestadt gut bekannt. Dies zeigt ein „Vergleich, bei dem die Planungskarte von Friedrichstadt in die Karte von Hamburg in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges im annähernd richtigen Größenverhältnis einkopiert wurde.“[6]

In den Niederlanden warben derweil Broschüren für die Umsiedlung nach Friedrichstadt, wer genau ihr Urheber war, lässt sich durch die Forschung heute nicht mehr mit letzter Sicherheit sagen. In Werken mit Titeln wie „Aufruf an die aufrechten Holländer zum Aufbau von Friedrichstadt“ wurde ein hymnisches Bild der neuen Siedlung gemalt und Niederländer zur Migration ermutigt.

1625 erlaubte der Herzog auch Katholiken den Zuzug nach Friedichstadt. Dem Kalkül nach sollte dies vereinfachen, engere Handelskontakte zu Spanien zu knüpfen. 1629 bezifferte der Jesuit Nicolaus Janssenius die Zahl katholischer Gläubiger in Friedrichstadt auf wenigstens 66.[7]

Der Umgang mit der in aller Regel lutherischen, alteingesessenen Bevölkerung rund um Friedrichstadt, blieb kompliziert. Nicht nur die streng lutherische Herzoginmutter Augusta misstraute ihnen, ebenso fürchteten Orte wie Husum und Tondern um ihre wirtschaftliche Prosperität. Zudem bremste der Dreißigjährige Krieg die Entwicklung der kleinen Gemeinde.

Der Volksmund dichtete abwertend über ortsfremde Siedler: „Wenn erst en Stadt op Seebüll [Friedrichstadt, d. Aut.] steht, un de Hahn in de olde Koog kreiht,/ und in de Wohld de engelsche Trommel sleit/ Wo et dann wol in Stapelholm togeiht?“[8]

Innerhalb Friedrichstadt gab es nur ein eingeschränktes Miteinander der einzelnen Gruppen, die in ihrer Heimat jeweils Minderheiten angehört hatten. Während eventuell anzunehmen wäre, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen in der alten Heimat solidarisch gedacht hätten, so ist dies klar zu verneinen. Vielmehr bestand Konkurrenzdruck zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen, die um Macht und herzogliche Anerkennung rangen. Dies lässt sich für viele Minderheiten in der Frühen Neuzeit konstatieren, die um Duldung durch Autoritäten rangen.[9]

Die Remonstranten hatten eine eindeutige Führungsrolle inne und entschieden die politischen Fragen in Friedrichstadt nach ihrem Gusto. Im Stadtrat hatten sie die komplette Dominanz und besaßen sogar das Selbstbewsstsein, der herzoglichen Kanzlei in Gottorf zu widersprechen. So etwa, als diese 1633 vorschlug, doch nun auch zwei lutherische Bürger in den Stadtrat aufzunehmen.[10]

Vereinzelt verschlug es auch Splittergruppen sektenähnlicher Charakteristik nach Friedrichstadt. So tauchte 1704 der dänische Prediger Oliger Pauli in der Stadt auf und warb für sein Verständnis der Heiligen Schrift. Der selbst ernannte Messias fand tatsächlich einige Anhänger, legte sich aber in kürzester Zeit mit sämtlichen Würdenträgern etablierter Religionen vor Ort an. Pauli zog bald weiter nach Altona, wo er jedoch aber nur vorübergehend verweilte, ehe er dort ebenfalls aneckte.[11]

Derweil konnten die hohen wirtschaftlichen Ziele nie erreicht werden. Viele Remonstranten kehrten bereits in den 1630er Jahren wieder in die Niederlande zurück, nachdem sich die dortige politische Lage zu ihrem Vorteil entwickelt hatte. Andernorts zeigte sich der fragile Zustand der religiösen Duldung: Auch in Glückstadt hatte Hoffnung auf einen Handelsvertrag mit Spanien bestanden. Als dieser nicht zustande kam, verloren die dort inzwischen ansässigen Katholiken umgehend ihre Privilegien. Ihre Bücher, Heiligenbilder und Rosenkränze mussten abgegeben werden.[12]

Zumindest in dieser Hinsicht blieb Friedrichstadt progressiver, ab 1675 kamen sogar mehr und mehr jüdische Neuankömmlinge in der Planstadt an. Nicht zuletzt, da Juden andernorts vielfach die Niederlassung untersagt war, wuchs die jüdische Gemeinde in Friedrichstadt zu einer der größten im späteren Schleswig-Holstein heran. Nachdem sie aber bereits vorher zahlreiche Mitglieder verloren hatte, endete ihre Geschichte endgültig in der Reichspogromnacht 1938, als die letzten Juden von Friedrichstadt verhaftet und deportiert wurden.

Die meisten anderen religiösen Gruppen, die im 17. Jahrhundert nach Schleswig-Holstein gekommen waren, sind heute noch in der Ortschaft präsent. Fünf Gemeinden verschiedener Konfession existieren immer noch. Für sie alle ist der 400. Geburtstag der Stadt ein willkommener Zeitpunkt, die kleine Ortschaft gut zu präsentieren. Sogar ein Musical soll anlässlich dessen aufgeführt werden.[13] Premiere soll es zum großen Jubiläum im Sommer 2021 haben.

Literatur

  • Brancaforte, Elio C. Die Visualisierung Persiens. Der Persianische Rosenthal (1654) in Wort und Bild. In: Kramer, Kirsten; Baumgarten, Jens (Hgg.). Visualisierung und kultureller Transfer. Würzburg. 2009. S. 219-237.
  • Glebe-Møller, Jens. Kommerz versus Theologie im dänischen Gesamtstaat. In: Salatowsky, Sascha; Schröder, Winfried (Hgg.). Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion. Stuttgart. 2016.
  • Jockenhövel, Klaus. Rom – Brüssel – Gottorf. Ein Beitrag zur Geschichte der gegenreformatorischen Versuche in Nordeuropa 1622-1637. Neumünster. 1989.
  • Meier, Dirk. Land unter! Die Geschichte der Flutkatastrophen. Stuttgart. 2005.
  • Menke, Hubertus. Niederländisch als Interim-, Berufs- und Prestigesprache im nordfriesischen Küstenraum zur Zeit des großen Walfangs. In: Faltings, Folkert F.; Walker, Alastair G.H.; Wilts, Ommo (Hgg.). Friesische Studien III. Beiträge des Föhrer Symposiums zur Friesischen Philologie vom 11.-12. April 1996. Odense. 1997. S. 113 – 163.
  • Schnoor, Willi Friedrich. Die rechtliche Organisation der rechtlichen Toleranz in Friedrichstadt in der Zeit von 1621-1727. Kiel. 1977.
  • Riis, Thomas. Glückstadt und Friedrichstadt. In: Fürsen, Ernst Joachim; Witt, Reimer (Hgg.). Schleswig-Holstein und die Niederlande. Aspekte einer historischen Verbundenheit. Schleswig. 2003. S. 37-49.
  • Schunka, Alexander. Sind Migranten toleranter? Religiöse Freistellung, konfessionelle Migrationen und Bekenntnispluralität im ,langen‘ 17. Jahrhundert. In: Salatowsky, Schröder (Hgg.). Duldung. S. 281-303.
  • Sutter, Sem. Friedrichstadt an der Eider. Ort einer frühen Erfahrung religiöser Toleranz, 1621-1727. Chicago. 1982.

[1] Brancaforte, Elio C. Die Visualisierung Persiens. Der Persianische Rosenthal (1654) in Wort und Bild. In: Kramer, Kirsten; Baumgarten, Jens (Hgg.). Visualisierung und kultureller Transfer. Würzburg. 2009. S. 219-237.

[2] Glebe-Møller, Jens. Kommerz versus Theologie im dänischen Gesamtstaat. In: Salatowsky, Sascha; Schröder, Winfried (Hgg.). Duldung religiöser Vielfalt – Sorge um die wahre Religion. Stuttgart. 2016. S. 183-195.

[3] Meier, Dirk. Land unter! Die Geschichte der Flutkatastrophen. Stuttgart. 2005. S. 77.

[4] Menke, Hubertus. Niederländisch als Interim-, Berufs- und Prestigesprache im nordfriesischen Küstenraum zur Zeit des großen Walfangs. In: Faltings, Folkert F.; Walker, Alastair G.H.; Wilts, Ommo (Hgg.). Friesische Studien III. Beiträge des Föhrer Symposiums zur Friesischen Philologie vom 11.-12. April 1996. Odense. 1997. S. 113 – 163.

[5] Oktroy im Wortlaut in: Schnoor, Willi Friedrich. Die rechtliche Organisation der rechtlichen Toleranz in Friedrichstadt in der Zeit von 1621-1727. Kiel. 1977.

[6] Norden, Jörn. Legenden und Wirklichkeit – eine überfällige Revision der gängigen Geschichtserzählungen über Friedrichstadt. In: Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Friedrichstädter Stadtgeschichte. H. 76. 2008. S. 5 – 97. Hier: S. 19.

[7] Jockenhövel, Klaus. Rom – Brüssel – Gottorf. Ein Beitrag zur Geschichte der gegenreformatorischen Versuche in Nordeuropa 1622-1637. Neumünster. 1989. S. 185.

[8] Schnoor. Die rechtliche Organisation. S. 62.

[9] Schunka, Alexander. Sind Migranten toleranter? Religiöse Freistellung, konfessionelle Migrationen und Bekenntnispluralität im ,langen‘ 17. Jahrhundert. In: Salatowsky, Schröder (Hgg.). Duldung. S. 281-303. Hier: S. 283.

[10] Riis, Thomas. Glückstadt und Friedrichstadt. In: Fürsen, Ernst Joachim; Witt, Reimer (Hgg.). Schleswig-Holstein und die Niederlande. Aspekte einer historischen Verbundenheit. Schleswig. 2003. S. 37-49. Hier: S. 44.

[11] Sutter, Sem. Friedrichstadt an der Eider. Ort einer frühen Erfahrung religiöser Toleranz, 1621-1727. Chicago. 1982. S. 215-218.

[12] Schnoor. Die rechtliche Organisation. S. 60.

[13] https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/ein-musical-zur-400-jahr-feier-id18024071.html, zuletzt aufgerufen am 27. Februar 2020, 15.00 Uhr.

Zwischen Dänemark und Deutschland

Wahlkampf in Schleswig vor 100 Jahren: In einer Volksabstimmung durften die Bewohner an der heutigen Grenze entscheiden, zu welchem Staat sie gehören wollten: Dänemark oder Deutschland. Ein Streit mit langer Vorgeschichte, der heute nur noch auf einer Seite der Grenze erinnert wird. – Von Florian Tropp

Das Verhältnis von Dänen und Deutschen erscheint auf den ersten Blick entspannt. Deutsche fahren gerne zum Urlaub über die Grenze zum Besuch ihrer nördlichen Nachbarn, Dänen wissen den kostengünstigen Alkoholeinkauf südlich der Grenze zu schätzen.[1] Vor 100 Jahren sah das ganz anders aus.

„Gott wolle uns behüten, dass wir nicht werden Jüten!“ – „Nun geheißt Dänemark seinen Kindern: ‚Für immer Auf Wiedersehen, du deutscher Adler!‘“[2] Das waren damals die wenig freundlichen Parolen. Im Rahmen der Gebietsabtretungen Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg durften die Einwohner des ehemaligen Herzogtums Schleswig abstimmen, ob sie nun unter dänischer oder deutscher Hoheit leben wollten. Dabei hatte Dänemark im Krieg keinerlei Rolle gespielt.

Ein alter Konflikt

Vielmehr loderte in Schleswig ein jahrhundertealter Konflikt wieder auf. Der Adel der Herzogtümer Schleswig und Holstein hatte schon im Vertrag von Ripen 1464 erreicht, dass die Gebiete „auf ewig ungeteilt“ („up ewig ungedeeld“) sein mögen. Seitdem hatten Dänemarks Könige, mit nur kurzen Pausen, die Oberhoheit über den Großteil des heutigen Schleswig-Holsteins inne.

Der dänische Gesamtstaat erstreckte sich zu Beginn der Moderne somit über weite Teile des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein, im Süden bis ins Herzogtum Lauenburg und Altona, heute Teil Hamburgs. Die Gruppe der sogenannten „Eiderdänen“, von nationalistischem Eifer getrieben, forderte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Eingliederung Schleswigs in den dänischen Staat. Zwischen 1848 und 1851 hatte in Schleswig und Holstein darum ein Bürgerkrieg getobt, der mit der Festlegung des Status quo endete.

1863 forcierte die neue dänische Novemberverfassung die engere Anbindung Schleswigs an Dänemark. Die Folge war die Kriegserklärung Preußens und Österreichs, den führenden deutschen Mächten, an Dänemark. Nach einem kurzen Krieg im Jahr darauf musste Dänemark kapitulieren und seine Ansprüche auf die beiden Herzogtümer aufgeben.

Als Österreich aus dem Deutschen Bund ausschied, gliederte Preußen sich die Provinz Schleswig-Holstein an. Die Grenze zwischen dem neuen Deutschen Reich und Dänemark lag damit viel weiter nördlich als heute: Die Insel Rømø gehörte zum deutschen Territorium, Grenzfluss war nun Kongeå/ Königsau.[3] Zahlreiche dänische Schleswiger wurden zu Untertanen des deutschen Kaisers.

Von der deutschen Vergangenheit Nordschleswigs zeugen auch die immer noch zahlreichen Gedenksteine an dänischen Kirchen zur Erinnerung an Gefallene im Ersten Weltkrieg. Auch diese Angehörigen der dänischen Minderheit mussten im deutschen Heer Dienst tun. Etwa 30.000 von ihnen zogen ins Feld, 5000 kehrten nie zurück, weitere 4.500 als Invaliden.[4]

Deutschlands Schwäche, Dänemarks Chance

Nach Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg flammten 1918 die alten eiderdänischen Wallungen wieder auf. Die 14 Punkte des US-Präsidenten Woodrow Wilson forderten eine neue Grenzziehung in Europa auf Basis des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“.

Schon am 16./17. November 1918 kamen in Apenrade dänische Delegierte unter Führung von Hans Peter Hanssen zu einer Konferenz zusammen. Der Reichstagsabgeordnete war in Berlin der wichtigste Fürsprecher der Interessen der dänischen Minderheit im Deutschen Reich gewesen. In einer Resolution forderten die Anwesenden in Apenrade eine Abstimmung über Schleswigs nationale Zukunft. Einige der dort geforderten Punkte sollten zur Basis der Volksabstimmung von 1920 werden: Es sollten zwei Abstimmungszonen eingerichtet werden, eine nördliche (Zone I, Nord-) und eine südliche (Zone II, Mittelschleswig). In ersterer sollte im Ganzen für Dänemark oder Deutschland abgestimmt werden, in letzterer nach Landkreisen.

Die Einteilung der Zonen basierte auf Einschätzungen des dänischen Historikers Hans Victor Clausen. Anhand der Zahl der dänisch- bzw. deutschsprachigen Bewohner eines Landkreises, klassifizierte er bereits 1891 dessen mögliche staatliche Zugehörigkeit im Falle einer neuen Grenzziehung. Die von Clausen empfohlene Grenze entsprach tatsächlich derjenigen, wie sie heute noch zwischen Dänemark und Deutschland besteht.

Dänemark war im Ersten Weltkrieg neutral geblieben und erschien damit nicht gerade als „Siegermacht“. Dennoch gelang es der dänischen Regierung bei den Friedensverhandlungen in Versailles erfolgreich bei den Alliierten zu insistieren und die Schleswig-Holstein-Frage auf die Tagesordnung zu setzen.

Der dänische Außenminister Erik Scavenius übermittelte an Briten, Amerikaner und Franzosen die Bitte, die Wünsche der dänischen Bevölkerung innerhalb der deutschen Grenzen zu berücksichtigen, was letztlich auf eine Abstimmung hinauslief. Somit gelang es ihm, die Wünsche nach Grenzrevisionen in das Konzept des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ einzubetten.[5]

Showdown an der Förde

In Versailles wurde festgelegt, eine internationale Kommission mit der Beobachtung des Plebiszits zu beauftragen. Diese bestand aus Delegierten der Siegermächte sowie mehreren Diplomaten aus neutralen Ländern. Zudem rückten 400 französische Soldaten in die erste Abstimmungszone ein, um die ordnungsgemäße Abstimmung zu kontrollieren.

Letztlich kam es zur Festsetzung eines Referendums, ganz wie in der Erklärung von Apenrade gefordert. Zunächst hatte man seitens der Alliierten sogar eine von dänischen Nationalkonservativen geforderte dritte Abstimmungszone anvisiert: Diese hätte die Grenze etwa auf einer Linie zwischen Husum und Schleswig gezogen. Es blieb aber bei den zwei Zonen, mit Abstimmungsterminen am 10. Februar 1920 in Zone I bzw. 14. März in Zone II.

Deutsch-orientierte Schleswiger gründeten alsbald den „Deutschen Ausschuss“, der um Stimmen für Deutschland werben sollte. Zunächst war seine Leitlinie gewesen, die Abstimmung zu boykottieren, was selbstverständlich zu einer deutlichen dänischen Mehrheit geführt hätte. Dänische Aktivisten scheuten sich dagegen nicht davor, in den mittelschleswigschen Bezirken auf Stimmenfang zu gehen. Im Herbst 1919 folgten beispielsweise 40 bis 50 Personen der Einladung nach Norden und hörten sich pro-dänische Argumente an. In diesem Fall habe es, trotz Sympathien für Dänemark, „jedoch keinen Stimmungsumschwung“ gegeben.[6]

Die Abstimmung in Zone I, die ja en bloc über ihre nationale Zugehörigkeit abstimmte, ergab ein klares Bild: Drei von vier Wählern (74,39 %) votierten für Dänemark. Bei Abstimmungen nach Kommunen hätten sich einige deutsche Enklaven im dänischen Staatsgebiet ergeben: In Apenrade/Aabenraa und Sonderburg/Sønderborg stimmte die Mehrheit für Deutschland, ebenso in zahlreichen südlichen Regionen der Abstimmungszone.

Anders dagegen wäre es in Zone II möglich gewesen, dass einzelne Gemeinden an Dänemark gefallen wären. Jedoch stimmten sämtliche Kommunen für Deutschland, insgesamt sprachen sich vier von fünf Wählern (80,2 %) für den Verbleib bei Deutschland aus.

Auf deutscher Seite wurde – bereits nach der ersten Abstimmung – noch versucht einen Kompromiss zu erwirken und das Ergebnis zumindest in Teilen zu revidieren. Der deutsche Beamte Johannes Tiedje schlug eine neue Grenzziehung vor, die geringfügig weiter nördlich verlief als die Grenze, die zwischen den beiden Abstimmungszonen gezogen worden war. Die internationale Kommission signalisierte zunächst tatsächlich Dialogbereitschaft, final wurde der Vorschlag von den Alliierten aber abgeschmettert.[7]

In Dänemark kam es derweil zu einer schweren innenpolitischen Krise: Nationalkonservative Kräfte forderten eine noch weiter südlich verlaufende Grenze und fanden bei König Christian X. Gehör. Die linksliberale Regierung unter Ministerpräsident Carl Theodor Zahle kündigte aber die Respektierung der internationalen Beschlüsse an. Die anschließende Entlassung ebenjener Regierung und die Einsetzung einer neuen durch den König, riefen jedoch dermaßen großen Protest hervor, dass sich Dänemarks Königshaus seitdem allein mit seinen repräsentativen Aufgaben begnügt.

Von dänischer Seite wurde das Abstimmungsergebnis aber doch als großer Sieg mit nationalem Pomp gefeiert und zur „Wiedervereinigung“ („genforeningen“) deklariert. König Christian ritt am 10. Juli auf einem Schimmel durch einen Triumphbogen über die alte Grenze bei Kongeå/ Königsau und wurde von Tausenden Dänen gefeiert.[8] Am Tag darauf fand nahe den Düppeler Schanzen, wo die Dänen 1864 auf dem Schlachtfeld die entscheidende Niederlage hatten hinnehmen müssen, die zentrale Feier der Eingliederung statt.

Es zeigte sich jedoch, dass sich die Brisanz um die neue Nordgrenze Deutschlands schnell legte – vor allem im Vergleich zur Ostgrenze. Weder in der Weimarer Republik, noch unter den Nationalsozialisten, erfolgte jemals die offizielle Forderung nach einer Grenzrevision, nicht einmal während der Besatzungszeit. Anders als Belgier oder Niederländer formulierte die dänische Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg auch keine Annexionspläne von deutschem Territorium. Ministerpräsident Vilhelm Buhl erklärte 1945 lapidar: „Dänemarks Grenze liegt fest.“[9]

Seitdem hat man sich beiderseits der Grenze mit den jeweiligen nationalen Minderheiten arrangiert. Die Erinnerung an die Volksabstimmung ist aber nur noch in Dänemark bedeutend: Zum 100. Jahrestag der Vorgänge sind zahlreiche Feierlichkeiten geplant, die sich über das gesamte erste Halbjahr 2020 erstrecken.[10]

Literatur:

  • Boie, Jenni. Volkstumsarbeit und Grenzregion. Volkskundliches Wissen als Ressource ethnischer Identitätspolitik in Schleswig-Holstein 1920-1930. Münster. 2013.
  • Jebsen, Nina. Als die Menschen gefragt wurden. Eine Propagandaanalyse zu Volksabstimmungen nach dem Ersten Weltkrieg. Münster. 2015.
  • Khan, Daniel-Erasmus. Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen. Tübingen. 2004.
  • Lehmann, Hans Dietrich. Der „Deutsche Ausschuss“ und die Abstimmung in Schleswig 1920. Neumünster. 1969.
  • Schlürmann, Jan. 1920. Eine Grenze für den Frieden. Die Volksabstimmung zwischen Deutschland und Dänemark. Kiel. 2019.

[1] https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/wirtschaft/keine-loesung-im-deutsch-daenischen-dosenbier-dilemma-in-sicht-id20675102.html, zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2020, um 14.00 Uhr.

[2] Jebsen, Nina. Als die Menschen gefragt wurden. Eine Propagandaanalyse zu Volksabstimmungen nach dem Ersten Weltkrieg. Münster. 2015. S. 85. // https://www.europeana.eu/portal/de/record/92023/images_billed_2010_okt_billeder_object154910.html, zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2020, um 14.00 Uhr.

[3] Boie, Jenni. Volkstumsarbeit und Grenzregion. Volkskundliches Wissen als Ressource ethnischer Identitätspolitik in Schleswig-Holstein 1920-1930. Münster. 2013. S. 42.

[4] Schlürmann, Jan. 1920. Eine Grenze für den Frieden. Die Volksabstimmung zwischen Deutschland und Dänemark. Kiel. 2019. S. 73.

[5] Ebd. S. 107.

[6] Lehmann, Hans Dietrich. Der „Deutsche Ausschuss“ und die Abstimmung in Schleswig 1920. Neumünster. 1969. S. 125.

[7] Schlürmann. 1920. Eine Grenze für den Frieden. S. 159.

[8] Für Filmaufnahmen jener Szene siehe: https://www.youtube.com/watch?v=tYkUUlMl2CU, zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2020, um 14.00 Uhr.

[9] Khan, Daniel-Erasmus. Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen. Tübingen. 2004. S. 397.

[10] https://genforeningen2020.dk/deutsch/, zuletzt aufgerufen am 25. Januar 2020, um 14.00 Uhr.

Der Kolumbus aus Hildesheim

Christoph Kolumbus war der erste Europäer in Amerika, so steht es in den Schulbüchern. Dies ist gleich mehrfach infrage zu stellen: Nicht nur, dass Skandinavier bereits ein halbes Jahrtausend vor ihm Amerika erreichten. Auch zwei norddeutsche Seefahrer kamen ihm womöglich zuvor. – Von Florian Tropp

Hildesheim ist beileibe nicht das, was man als maritime Metropole bezeichnen würde. Bis zum Meer sind es 200 Kilometer Luftlinie, größtes Gewässer ist die Innerste, ein Zufluss zur Leine. Und dennoch nimmt eine große Seefahrergeschichte hier ihren Ausgang. Sie führt den Historiker bis Island. Oder sogar Grönland. Wenn nicht gar bis Amerika. Aber dazu später mehr.

Um 1430 erblickte jedenfalls Didrik Pining in Hildesheim das Licht der Welt. Moderne Historiker können wenig über seine frühen Lebensumstände sagen. Sicher ist nur, dass es ihn in Richtung Küste zog. Noch in jungen Jahren lernt er offenbar Hans Pothorst kennen, der ebenfalls aus Hildesheim stammte.[1] Beide waren begabte Seeleute und zunächst als Kaperer im Dienst der Stadt Hamburg tätig. Pothorst war offenbar ein kluger Netzwerker, seine guten Kontakte zu namhaften Hamburger Familien sind von der Forschung eindeutig belegt.[2]

Parallelen in den Biografien Pinings und der des Genuesen Kolumbus sind unverkennbar. Die Herkunft beider liegt weitestgehend im Dunkeln, über Pinings Abstammung weiß der Forscher sogar beinahe mehr als über Kolumbus‘, bei dem immer wieder neue Hypothesen über seine Herkunft aufgestellt wurden. So wurde dem Seefahrer in spanischen Diensten auch eine korsische, französische, spanische, katalanisch-jüdische oder portugiesische Herkunft unterstellt.[3]

Offenkundig ist, dass beide als Piraten in staatlichem Auftrag ihre Karrieren starteten, ehe sie auf Forschungsreisen geschickt wurden. Pining verdingte sich auf dänischen Schiffen und geriet in den Konflikt zwischen Dänemark und England. Denn die Flotten beider Staaten lieferten sich im 15. Jahrhundert einen erbitterten Kaperkrieg.

Vermutlich wäre heute – außer einigen Aktennotizen – kaum mehr etwas über Pining bekannt, wenn nicht über einhundert Jahre später der Kieler Bürgermeister Carsten Grypp dem dänischen König Christian III. einen höchst interessanten Brief geschrieben hätte. Der Dänenkönig war damals Herr über Teile Schleswigs und Holsteins und damit Grypps Dienstherr.

Ein Brief und seine Geschichte

Grypp erzählte im März 1551 in dem Schreiben, das vor allem den reichhaltigen Kieler Fundus an Atlanten und Globen zum Verkauf pries, auch von einer Geheimmission nach Grönland, auf die Pining und Pothorst in den 1470er Jahren geschickt worden sein sollen. Auf dem Gletscher Gunnbjørns Fjeld soll Pining sogar ein Seezeichen der dänischen Herrscher platziert haben. Kamen sie noch weiter?

Was wussten die Europäer vor Kolumbus überhaupt von Grönland und was von Amerika? Die größte Insel der Welt war um das Jahr 1000 von skandinavischen Siedlern besucht worden, die sich dort dauerhaft niederließen und eine Koexistenz mit den dortigen Inuit pflegten. Über den Nordatlantik hinweg hielt sich bis ins 15. Jahrhundert ein vager Kontakt mit dem dänischen Reich, zu dem auch Island und Norwegen zählten.

Grönland war in Europa nie vergessen worden, im Hochmittelalter war es gar kirchenrechtlich dem Erzbistum Hamburg-Bremen unterstellt.[4] Und dass dem skandinavischen Seefahrer Leif Eriksson definitiv schon 500 Jahre vor Kolumbus die Landung in Nordamerika gelang, soll hier selbstverständlich auch nicht verschwiegen werden.

Das fremde Land jenseits des Meeres

Über alles was jenseits der eisigen Insel lag, waren die Gelehrten sich uneins. Als die Kartografie im Spätmittelalter immer größere Fortschritte machte, wurde die Welt jenseits des Atlantiks fantasiereich illustriert. Hier zeigte sich ein buntes Mosaik „zwischen Mythos, Vermutung und Wissen, zwischen biblischen und antiken Vorstellungen.“[5]

Sagen und Folklore in verschiedenen Ecken der Alten Welt kennen noch andere vermeintliche „Entdecker“ Amerikas. Wie etwa den irischen Heiligen Brendan im 6. Jahrhundert, den walisischen Prinzen Madoc im 12. Jahrhundert oder auch den malischen Herrscher Abubakari II. zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Vom Pazifik aus sollen zudem die Polynesier Amerika erreicht haben. Einigermaßen anerkannt ist lediglich, dass englische Seeleute aus Bristol auf der Suche nach Fischgründen im 15. Jahrhundert dem amerikanischen Festland zumindest nahe kamen.[6]

Unterstützung soll die dänische Expedition aus Portugal bekommen haben. Keine andere Nation besaß damals mehr Know-How auf dem Gebiet der Seefahrt: Prinz Heinrich („der Seefahrer“) hatte die portugiesische Marine maßgeblich weiterentwickelt. Ihre Steuerleute drangen auf Karavellen so weit südlich vor, wie keine europäischen Segler zuvor. Sie nahmen für Portugals Krone die Azoren in Besitz und errichteten erste Stützpunkte an der westafrikanischen Küste.

1925 konstruierte der dänische Historiker Sofus Larsen dann einen Kontext aus Pinings Fahrten zur See und portugiesischer Welterkundung. Larsen vervollständigte seine Thesen in der Abhandlung „The discovery of North America twenty years before Columbus”. Demnach hätten Dänen und Portugiesen ihre Kräfte gebündelt: Auf der Nordmeer-Expedition unter Pining hätten die Skandinavier ihre Beziehungen zur Kolonie in Grönland wiederbeleben wollen, die Portugiesen suchten ihrerseits einen Seeweg in Richtung Indien. Zudem sei die Auffindung neuer Gebiete ein generelles Ziel des Unternehmens gewesen.

Alfons V. von Portugal stellte Pining den Adligen João Vaz Corte-Real zur Seite. Als Beleg dafür führte Larsen einen portugiesischen Chronisten des 15. Jahrhunderts an. Laut diesem sei Corte-Real später Gouverneur der Azoreninsel Terceira geworden und zwar als Belohnung für die Entdeckung des „Stockfischlandes“. Dieses wiederum identifizierte Larsen als Neufundland.[7] Demnach wären die Missionsteilnehmer also bis nach Amerika gelangt!

Angekommen in einem fremden Land

Die gesamte Geschichte stellt sich – schenken wir Larsen Glauben – wie folgt dar: Im Auftrag ihrer Könige brechen Pining/Pothorst und Corte-Real 1473 mit einer oder mehreren Karavellen in Richtung Norden auf. Island ist ihre letzte Station in der ihnen gut bekannten Welt. Der nächste Törn führt sie anschließend nach Grönland. Als sie weiter nach Nordwesten segeln und der Eisgang immer dichter wird, folgt eine radikale Kurswende nach Süden. Schließlich erblicken sie eine Küste und gehen vor Anker. Dieses Land wird man später einmal Labrador nennen, sie sind in Amerika – und haben selbst keine Ahnung davon.

Ob sich dies so zugetragen hat, darüber ist sich die Forschung seit Larsens Veröffentlichung vor knapp einhundert Jahren äußerst uneins. Rein technisch war die Reise durchaus möglich. Aber es gibt Verdachtsmomente, die nahelegen, dass die Geschichte Pinings und Pothorsts allzu sehr ausgeschmückt worden ist.

Briefe wie der von Kiels Bürgermeister Grypp stehen exemplarisch dafür, wie europäische Nationen versuchten, ihren Beitrag an der europäischen Vereinnahmung Amerikas herauszustellen. Kolumbus sollte übertrumpft werden und der eigene nationale Beitrag prominent in Szene gesetzt werden.[8]

Zudem ergab die Episode um die dänisch-portugiesische Expedition auch familiären Sinn: Corte-Reals Sohn Gaspar begab sich unzweifelhaft auf die nordatlantische Route in Richtung Neue Welt und bot der Erzählung Nahrung, er habe die Mission seines Vaters vollendet. Wie man es aber auch dreht und wendet und so schön diese Geschichte klingt: Dem heutigen Historiker fehlt der finale Beweis für die Ankunft Pinings und seiner Gefolgsleute in Amerika.[9]

Der Weg zum Mythos

Ganz gleich, ob Corte-Real sr., Pining und Pothorst nordamerikanisches Festland betraten, alle traten sie nach der etwaigen Mission wieder in den Dienst ihrer Landesherrn: Corte-Real als Gouverneur auf Terceira, Pining auf Island. Hans Pothorst segelte ebenfalls weiter unter dänischer Fahne und starb offenbar 1489, wie die Forschung herausgearbeitet hat.[10]

Auf Island leistete Pining nachhaltige Arbeit, bevor er noch in Norwegen als Statthalter tätig war und dort 1491 verstarb. Eine isländische Gesetzessammlung trägt seinen Namen: Piningsdómur. Sein Posten auf der Insel im Nordatlantik wurde erst durch den dänischen König geschaffen, er war der erste der das Amt eines dortigen Gouverneurs („höfuðsmaðr“) bekleidete.[11] Diese Privilegierung konterkariert auch die Behauptung des schwedischen Gelehrten Olaus Magnus aus dem 16. Jahrhundert, wonach Pining und Pothorst aufgrund ihrer  Verbrechen als Piraten nach Grönland verbannt worden seien. Ganz abgesehen davon, dass Magnus behauptete, beide wären noch 1494 aktiv gewesen, als sie nachweislich bereits verstorben waren.[12]

In Hildesheim ist Pinings Erbe in den letzten Jahren wieder neu belebt worden: Dort tragen eine Straße und eine Grundschule seinen Namen. Zudem vergibt die dortige Stiftung Universität Hildesheim das „Didrik Pining Fellowship“ an wissenschaftliche Mitarbeiter.

Eine besonders romantisierende Verklärung erfuhr Pining aber in Bremen. Neben anderen „Ozeanbezwingern“ sind Pining und Pothorst dort auf einer Holztafel abgebildet, die am Haus des Glockenspiels mehrfach am Tag gezeigt wird. Hier sieht der Betrachter sie Auge in Auge mit einem amerikanischen Ureinwohner. Und auf der nächsten Holztafel erscheint derjenige, den manche bloß als Nachzügler Pinings abtun. Es ist: Christoph Kolumbus.

Literatur:

  • Bucher, Corinna. Christoph Kolumbus. Korsar und Kreuzfahrer. Darmstadt. 2006.
  • Hart, Jonathan. Comparing Empires. European Colonialism from Portuguese Expansion to the Spanish-American War. New York, Basingstoke. 2003.
  • Hughes, Thomas. The German Discovery of America. A Review of the Controversy over Pining’s 1473 Voyage of Exploration. German Studies Review. Bd. 27. 2004. S. 503 – 526.
  • Pini, Paul. Der Hildesheimer Didrik Pining als Entdecker Amerikas, als Admiral und als Gouverneur von Island im Dienste der Könige von Dänemark, Norwegen und Schweden. Hildesheim. 1971.
  • Richter, Marco. Die Diözese am Ende der Welt. Die Geschichte des Grönlandbistums Garðar. München. 2017.
  • Rinke, Stefan. Kolumbus und der Tag von Guanahani 1492. Ein Wendepunkt der Geschichte. Stuttgart. 2013.
  • Seaver, Kirsten A. The Frozen Echo. Greenland and the Exploration of North America, Ca. A.D. 1000-1500. Stanford. 1996.
  • von Marchtaler, Hildegard. Hans Pothorst, einer der Frühentdecker von Amerika, und seine Hamburger Verwandtschaft. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte, Bd. 58. 1972. S. 83 – 90.

[1] Seaver, Kirsten A. The Frozen Echo. Greenland and the Exploration of North America, Ca. A.D 1000-1500. Stanford. 1996. S. 199.

[2] von Marchtaler, Hildegard. Hans Pothorst, einer der Frühentdecker von Amerika, und seine Hamburger Verwandtschaft. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte. Bd. 58. 1972. S. 83 – 90.

[3] Bucher, Corinna. Christoph Kolumbus. Korsar und Kreuzfahrer. Darmstadt. 2006. S. 14.

[4] Richter, Marco. Die Diözese am Ende der Welt. Die Geschichte des Grönlandbistums Garðar. München. 2017. S. 26 f.

[5] Rinke, Stefan. Kolumbus und der Tag von Guanahani 1492. Ein Wendepunkt der Geschichte. Stuttgart. 2013. S. 48.

[6] Hart, Jonathan. Comparing Empires. European Colonialism from Portuguese Expansion to the Spanish-American War. New York, Basingstoke. 2003. S. 56-59.

[7] Pini, Paul. Der Hildesheimer Didrik Pining als Entdecker Amerikas, als Admiral und als Gouverneur von Island im Dienste der Könige von Dänemark, Norwegen und Schweden. Hildesheim. 1971. S. 21-23.

[8] Seaver. The Frozen Echo. S. 200.

[9] Hughes, Thomas. The German Discovery of America. A Review of the Controversy over Pining’s 1473 Voyage of Exploration. German Studies Review. Bd. 27. 2004. S. 503 – 526.

[10] von Marchtaler. Hans Pothorst. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte. Bd. 58. 1972. S. 88.

[11] Seaver. The Frozen Echo. S. 202.

[12] Pini. Der Hildesheimer Didrik Pining. S. 86-89.

Hamburgs Außenposten im Wattenmeer

Es ist Hamburgs sonderbarster Stadtteil: Die Insel Neuwerk an der Elbmündung, wo knapp 40 Menschen leben. Vor 50 Jahren wurde das Eiland endgültig Teil des Hamburger Stadtgebiets. Damals war die Eingemeindung nur ein Mosaikstein in einem großen Projekt. – Von Florian Tropp

Wer heute den Hamburger auf der Straße fragt, welcher der westlichste Punkt seiner Heimatstadt sei, der wird auf Ratlosigkeit stoßen. Nach kurzem Überlegen wird man vielleicht „Rissen“ oder „Blankenese“ zur Antwort erhalten. Doch weit gefehlt!

Weit draußen – nahe der Außenelbe – liegt Neuwerk. Das Eiland an der Elbmündung hat eine wechselvolle Geschichte. Seine Zugehörigkeit zu größeren Territorien wechselte mehrfach, erst vor 50 Jahren wurde Neuwerk endgültig Teil Hamburgs. Wie kam es dazu?

In den 700 Jahren zuvor war Neuwerk bereits überwiegend Bestandteil des Hamburgischen Staatsgebietes gewesen. Wann genau Neuwerk zu Hamburg kam ist unklar, im 14. Jahrhundert aber war die Insel bereits fest in Hamburger Hand.[1]

Streit um den Flecken Land

Namensgebend für das Stück Land war der Turm Neuwerk, der, 1310 fertiggestellt, als ältestes Bauwerk auf Hamburger Territorium gelten kann. Ein Titel, um den sich der Turm allerdings mit der Kirche Sinstorf streitet, die jedoch gleich mehrfach zerstört wurde und sich zudem die meiste Zeit nicht auf Hamburger Grund befand.

Von nun an versuchte auf Neuwerk eine kleine Gruppe Landsknechte Hamburgs Ansprüche durchzusetzen und Schmuggler sowie Seeräuber auf Distanz zu halten. Jedoch war auch der Hadelner Landadel an einer Einverleibung der Insel in sein Hoheitsgebiet interessiert. Hamburg erwies sich bei dieser Kraftprobe aber als überlegen: 1393 wurde das Amt Ritzebüttel, Hauptsitz der Hadelner, von Hamburg inkorporiert. So kam später Cuxhaven zu Hamburg.[2]

Neuwerk wurde, mit den bescheidenen Mitteln jener Zeit, gegen die Naturgewalten gesichert und prosperierte, weitgehend ohne besondere Ereignisse. Erst ab 1644 fungierte eine hölzerne Feuerblüse als Seezeichen. Während der Hamburger Franzosenzeit besetzten kurzeitig britische Schmuggler die Insel, wurden aber schnell wieder vertrieben. Während Helgoland ab 1807 britisch verwaltet wurde, blieb Neuwerk bei Hamburg. Genau wie Cuxhaven profitierte die Insel seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom immer mehr in Mode kommenden Seebadtourismus. Cuxhaven erhielt 1907 sein Stadtrecht, blieb aber mit Hamburg assoziiert.

Die entscheidende Zäsur für Neuwerk kam mit dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937. Vorwiegendes Ziel war hierbei die Abrundung des Hamburger Stadtgebietes, was primär durch Einverleibung der eigenständigen Städte Altona, Wandsbek und Bergedorf geschah. Ebenso wurde Harburg der Hansestadt angegliedert, das vorher Teil der preußischen Provinz Hannover gewesen war. Zur Kompensation gingen Cuxhaven und Neuwerk in preußischen Besitz über. Hamburg behielt allerdings die Souveränität über den Amerika-Hafen in Cuxhaven, samt Steubenhöft. Dies blieb auch nach Kriegsende und der Formierung des Bundeslandes Niedersachsen der Fall.

Ein Tiefwasserhafen in der Elbmündung?

Hamburgs Wirtschaft erlebte nach 1945 einen rasanten Wiederaufstieg und der Hafen wurde wieder zu einer Drehscheibe für internationale Handelsgüter. Seitens des Senats wurden bald hochtrabende Pläne formuliert, die heute überdimensioniert anmuten: Die Stadtplaner ersannen die Idee eines Tiefwasserhafens in der Elbmündung, rund um Neuwerk.

Paul Nevermann, damals Hamburgs Erster Bürgermeister, sprach 1961 im Hinblick auf Hamburg von der „Raumsicherung für die Zukunft.“[3] Der Spiegel schrieb des Weiteren: „An den Kais, die unmittelbar vor dem über 20 Meter tiefen Nordsee-Schifffahrtsweg liegen würden, könnten selbst Mammut-Tanker von 130 000 Tonnen, wie sie jetzt in Japan gebaut werden sollen, ohne Schwierigkeiten festmachen.“[4]

Hamburgs Zukunft sollte in der Elbmündung liegen! Dementsprechend forcierte die Hansestadt einen Kauf von Neuwerk und Umland. Niedersachsen schien auch nicht allzu erpicht darauf, die Eilande in der Elbmündung im eigenen Besitz zu halten. Zwar vermutete man in Hannover Ölfelder in der Nordsee, nahm aber an, diese lägen anderswo im Watt.[5] Niedersachsen forderte eine Ausdehnung seines Gebiets im Cuxhavener Hafen als Ausgleich für die Landübergabe, was als vorteilhaft für die Seewirtschaft erachtet wurde.

Ergebnis der intensiven Verhandlungen war der „Cuxhaven-Vertrag“, der am 3. Oktober 1961 von Vertretern Hamburgs und Niedersachsens unterzeichnet wurde. Der schwammige Vertragstext erwähnte die Insel lediglich indirekt. Das „sogenannte Neuwerker Watt“[6] wurde allein mit geografischen Koordinaten umschrieben. Dass nicht nur Fläche, sondern auch neue Bürger an die Hansestadt fielen, erwähnt der Vertrag nicht.

Der Senat hatte dem Vertrag schon im Sommer 1961 Tür und Tor geöffnet, die regierende SPD und die Opposition aus CDU und FDP waren in dieser Frage einer Meinung. Wilhelm Imhoff, seinerzeit Wortführer der Christdemokraten im Senat stellte in der Debatte fest: „Das ist die wichtigste Vorlage, die die Bürgerschaft in dieser Legislaturperiode bekommen hat. Sie fordert geradezu Einstimmigkeit heraus.“ Der geplante Vorhafen sei „bedeutendes Gegenstück zum Europoort-Hafen [in Rotterdam].“[7] Alfred Frankenfeld von der FDP regte gar an, den ersten Spatenstich hierfür, zumindest symbolisch, am 7. Mai 1964 zu tätigen – dem 775. Hafengeburtstag. [8]

Eile bestand aber offenbar nicht. Erst im Herbst 1962 kamen auf Neuwerk Hamburgs Bürgermeister Nevermann und Niedersachsens Ministerpräsident Diederichs zusammen und tauschten im Herrenzimmer des Neuwerker Turms feierlich die Vertragsurkunden aus. Einmütig wehten an diesem Tag die Flaggen der Bundesrepublik, Hamburgs und Niedersachsens am backsteinroten Bauwerk.[9] Zur endgültigen „Umetikettierung“ der Neuwerker zu Hamburger Bürgern musste allerdings noch der Bundestag zustimmen, so lange blieben sie Niedersachsen.

Aus vorm ersten Spatenstich

Die Euphorie rund um den geplanten Hamburger Vorhafen auf jener Fläche, die die Stadt von Niedersachsen erhalten hatte, ebbte bald ab, trotz scheinbar günstiger Machbarkeitsstudien. 1967 konstatierte das Hamburger Abendblatt: „Die Nutzung des 9000 ha großen Seegebiets bei Neuwerk, unmittelbar an der 20 Meter tiefen Fahrrinne, ist vorerst Zukunftsmusik. Das muß einmal deutlich gesagt werden. Sicher, dieses rechtzeitig gesicherte Gebiet ist eine bedeutende Zukunftsreserve mit hervorragenden Standortvorteilen und Entwicklungsmöglichkeiten. Aber wann es einmal als Deutschlands Tiefwasser- Hafen gebraucht wird, läßt sich heute noch nicht sagen. Vordringlicher ist auf jeden Fall der Ausbau des historischen Hafens.“[10] Als wollte die Zeitung die Wichtigkeit betonen, war der Artikel mit Farbfotos illustriert.

Derweil veränderte ein weiteres Element die Sachlage rund um den Vorhafen in der Elbmündung: Der Seefracht-Container trat seinen Siegeszug an. 1966 lief die Bell Vangaurd, das erste deutsche Containerschiff, vom Stapel. Für Hamburg gewann der Ausbau des Containerterminals am Burchardkai immer mehr Priorität gegenüber einem Vorhafen in der Elbmündung, dessen Konzipierung auf wackeligen Beinen stand.

Fast wären die Neuwerker inmitten dieser Planspiele vergessen worden. Erst nach sich jahrelang hinziehenden Verhandlungen mit Niedersachsen erfolgte die Übereinkunft zur Eingliederung Neuwerks ins Hamburger Stadtgebiet zum 1. Oktober 1969. Seitdem gehört das Eiland zum Bezirk Mitte.

Der Erste Bürgermeister heißt die Neuhamburger willkommen

Erst Ende Mai 1970 besuchte Hamburgs Erster Bürgermeister Herbert Weichmann die neue Besitzung der Hansestadt. „Der neue Boß kam mit 4 PS“, titelte die Hamburger Morgenpost.[11] Per Kutsche hatte Hamburgs höchster Repräsentant von Cuxhaven aus das Watt zur Insel durchquert. Abends feierte er mit den Insulanern im Festzelt, hier sorgte der Hamburger Volkssänger Hein Timm für Stimmung. Jeder neue Hamburger Bürger erhielt zudem zur Feier des Tages einen Portugaleser.[12]

Die Idee zum Vorhafen aber kam in den 1970er Jahren endgültig zum Erliegen. Die kalkulierten Kosten für das Projekt, das u.a. einen 12-Kilometer-Damm zum Festland vorsah, überstiegen Hamburgs Mittel. Eine Kooperation mit anderen Hansestädten scheiterte am Zwist.[13] Dazu erwachte das allgemeine ökologische Bewusstsein, das die Zerstörung des Naturraums Wattenmeer kritisierte: 30.000 Bürger aus Cuxhaven und Umland unterschrieben gegen die Pläne zur „Zerstörung des Wattengebietes vor Deutschlands größtem Nordseeheilbad“.[14]

Der Hamburger Senat erklärte das Projekt offiziell im Herbst 1979 für beendet: „Die 40 Insulaner können weiteren relativ ruhigen Jahrzehnten entgegensehen[15]“, schrieb das Hamburger Abendblatt. In Bezug auf Neuwerk setzte die Stadt Hamburg nunmehr ökologische Prinzipien auf die Tagesordnung.

Dort, wo einmal Frachtriesen ihre Waren löschen sollten, wurde im Auftrag der Umweltbehörde 1989 die Insel Nigehörn aufgeschüttet. Genau wie Scharhörn, die natürlich gewachsene Nachbarinsel, ist sie ein Paradies für Seevögel. Übrigens liegt Nigehörn noch einmal vier Kilometer nordwestlich von Neuwerk. Nur für den Fall, dass Sie einem Schlaumeier mit der eingangs gestellten Frage noch eins auswischen möchten.


Literatur

  • Eisermann, Kurt. Neuwerk. Erholungsinsel mit Geschichte. Bremerhaven. 2011.
  • Ferber, Kurt. Der Turm und das Leuchtfeuer auf Neuwerk. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd 14. Hamburg. 1909. S. 1 – 36.
  • Wichmann, Ernst Heinrich. Hamburgische Geschichte in Darstellungen aus alter und neuer Zeit. Hamburg. 1889.

[1] Ferber, Kurt. Der Turm und das Leuchtfeuer auf Neuwerk. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd 14. Hamburg. 1909. S. 1–36.

[2] Wichmann, Ernst Heinrich. Hamburgische Geschichte in Darstellungen aus alter und neuer Zeit. Hamburg. 1889. S. 280.

[3] Das Loch. In: Der Spiegel. Nr. 22/1961. S. 52-53.

[4] Ebd.

[5] Hamburger Abendblatt, 1. Juni 1970. S. 2.

[6] Anlage 1 zu Artikel 2 des Staatsvertrages. Siehe: http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?printview=true&showdoccase=1&doc.id=jlr-NeuOCuxNDStVtrGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr, zuletzt aufgerufen am 26. November 2019 um 15.00 Uhr.

[7] Hamburger Abendblatt, 29. Juni 1961. S. 3.

[8] Ebd. S. 5.

[9] Hamburger Abendblatt, 5. Oktober 1962. S. 1.

[10] Hamburger Abendblatt, 5. Dezember 1967. S. 13.

[11] Eisermann, Kurt. Neuwerk. Erholungsinsel mit Geschichte. Bremerhaven. 2011. S. 164.

[12] Hamburger Abendblatt, 1. Juni 1970. S. 2.

[13] Profit im Watt. In: Der Spiegel. Nr. 26/1970. S. 38-39.

[14] Neuer Hafen für Hamburg. In: Die Zeit. Nr. 30/1974. Siehe: https://www.zeit.de/1974/30/neuer-hafen-fuer-hamburg/komplettansicht, zuletzt aufgerufen am 26.11.2019 um 15.00 Uhr.

[15] Hamburger Abendblatt, 27./28. Oktober 1979. S. 9.

Zwei Schwestern aus Hamburg

Vor 200 Jahren kam Ottilie Assing in Hamburg zur Welt. Gemeinsam engagierten ihre Schwester Ludmilla und sie sich für Kultur und Freiheit in Neuer und Alter Welt. Persönlich entfernten sie sich immer stärker voneinander. Die Nachwelt hat beide fast vergessen – Von Florian Tropp

Vielen Töchtern aus bürgerlichem Hause war der Lebensweg im 19. Jahrhundert klar vorgezeichnet: Ihnen war bestimmt, im Hausunterricht eine klassische und musische Bildung genießen zu dürfen. Jedoch lief alles auf eine spätere – standesgemäße – Vermählung und Mutterrolle hinaus. Nicht aber für Ottilie Assing, die am 11. Februar 1819 in Hamburg das Licht der Welt erblickte. Ebenso wenig galt dies für ihre jüngere Schwester Ludmilla, die fast auf den Tag zwei Jahre nach ihr geboren wurde. Ihre unkonventionellen Biografien ließen sich, aufgrund des Werdegangs ihrer Eltern, bereits im Voraus erahnen. Ihr Vater David entstammte einer jüdisch-orthodoxen Familie aus Russland, ihre Mutter Rosa war Tochter eines protestantischen Arztes aus dem Rheinland und leitete ein Mädchenpensionat. Beide teilten die liberalen Ansichten des frühen 19. Jahrhunderts und heirateten 1816. David Assing, Arzt und Veteran der Befreiungskriege, hatte sich zuvor evangelisch taufen lassen.

Hamburg erlebte in diesen Jahren, nach dem Fall der napoleonischen Kontinentalsperre, einen massiven ökonomischen Aufschwung, der auch die Förderung von Freigeistern beflügelte. Liberale Autoren wie Heinrich Heine, Friedrich Hebbel oder Karl Gutzkow gingen bei den Assings in der Poolstraße ein und aus. Oft nahmen sie an Leseabenden teil, die immer häufiger von Ottilie und Ludmilla organisiert wurden. Hier tauschte sich die Opposition des Vormärz kulturell und politisch aus und verfeinerte ihre Wortkunst. Gutzkow etwa fand hier zu seinem Stil, wie die junge Ottilie in einem Brief bemerkte: „Gutzkow hat endlich das Feld gefunden auf welchem er wirklich gross [sic] und nicht leicht zu übertreffen ist, dies ist das Dramatische […].“[1]

Adressat dieses Briefs war ihr Berliner Onkel Karl August Varnhagen von Ense, zu dem die Schwestern, nach dem Tod ihrer Eltern zu Beginn der 1840er Jahre, gemeinsam zogen. Varnhagen lebte im Spanungsfeld zwischen seinem Dienst als preußischer Beamter und seiner liberalen Tätigkeit als Publizist, was ihm besondere Aufmerksamkeit der Obrigkeiten einbrachte. Schnell lebte sich das Trio auseinander: Varnhagen war zwar ein liberaler Kopf und in jungen Jahren als Heißsporn bekannt, im Alter aber konfliktscheu geworden. Er wirkte auf Ottilie politisch borniert. Im Vorfeld der Ereignisse des Jahres 1848 äußerte sich Varnhagen überlegt, aber nach außen wenig konfrontativ. Den ostentativen Eifer von intellektuellen Personen der jüngeren Generation wie Heine, Gutzkow und anderen Autoren, vermied er. Ottilie erschien er damit zu passiv, sie bilanzierte später, ganz im Duktus des 19. Jahrhunderts, ihr Onkel besäße ein „pyramidal lächerliches“[2] Verhalten. Hierbei zeigte sich bereits eine gewisse intellektuelle Arroganz der jungen Ottilie. Diesen Dünkel sollte sie in ihrem weiteren Leben allzu oft zur Schau tragen. Sie kehrte 1843 nach Hamburg zurück, die dortigen Bühnen waren ihr Ziel. Ludmilla sollte noch lange in Berlin bleiben und ihr Lebenswandel gestaltete sich, zunächst, vergleichsweise unspektakulär.

Irritationen in Hamburg

Nach kurzer Zeit war Ottilie eine enge Vertraute von Jean Baptiste Baison geworden, einem Schauspieler, den sie schon aus dem elterlichen Salon kannte. Offiziell war sie bei dem sieben Jahre älteren Baison als Hauslehrerin angestellt.[3] Nicht nur der Hamburger Klatsch witterte aber einen Skandal. Ottilie schien es kaum zu kümmern, dass die feine Gesellschaft eine Affäre mit dem verheirateten Darsteller witterte. Zeit ihres Lebens nahm sie für sich, unter dem Motiv der Selbstverwirklichung, das Recht heraus, die gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts zu brechen.

Zeitweise stand sie in den 1840er Jahren auch gemeinsam mit Baison auf der Bühne. Später veröffentlichte Ottilie sogar eine Biografie des Bühnendarstellers, in der sie diesen als von der Natur zum Schauspieler prädestiniert erachtete. Ottilies Biografie Baisons erschien dabei unter Pseudonym, das Vorwort nennt schlicht „ein[en] Schauspieler“ als Autor.[4]

Doch ihre glückliche Zeit in Hamburg währte nicht lange. Vollkommen unvorhergesehen starb Baison im Januar 1849. Für Ottilie begann eine schwere Zeit, in der sie, weitgehend auf sich allein gestellt, in der Hansestadt nach Anerkennung suchte. Wovon sie genau ihren Lebensunterhalt bestritt, ist heute nicht mehr zu recherchieren. Womöglich lebte sie vom Erbe ihrer Eltern und den Spenden wohlhabender Freunde aus der Theater- und Kulturszene der Stadt. Ludmilla weilte immer noch in Berlin, auch während des revolutionären Berliner März des Jahres 1848. Varnhagen und sie setzten sich dabei im Hintergrund für vom Staat verfolgte Revolutionäre ein, ebenso dokumentierten sie die turbulenten Ereignisse minutiös. Erstmals tat sich in diesen Jahren ein Graben zwischen den Schwestern auf: Es wäre naheliegend anzunehmen, dass Ottilie ihr privates Unglück in ihrer Korrespondenz thematisiert hätte. Jedoch erwähnte sie Baisons Tod brieflich nur am Rande, mutmaßlich war sie zu stolz, um der Berliner Verwandtschaft gegenüber ihr Seelenleben zu offenbaren.[5]

In Hamburg aber sah sie ebenfalls langfristig keine Perspektive. Die Hansestadt erschien ihr, trotz ihrer vielfältigen Theaterlandschaft, mehr und mehr zu provinziell, vor allem empfand sie eine starke Fantasielosigkeit der „Pfeffersäcke“. Später schrieb sie süffisant, diesen wohne eine angeborene Nüchternheit inne, sie äußere sich „sowohl im geringen Kunstsinn, wie in der ganzen Lebensweise der Hamburger.“[6] Mit ihrer unvorteilhaften Charakterisierung des Hamburger Großbürgertums stand sie dabei nicht alleine da: Die Liste der Künstler, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Hamburg vergeblich Fußzufassen versuchten und später anderswo mit Lob überhäuft wurden, ist lang. Der progressive Stil des Hamburger Architekten Alexis de Chateauneuf wurde eher geduldet, seinem Berliner Kollegen Schinkel schrieb er im Mai 1837: „Die hiesige Gesinnung eines gänzlich geistlosen Stadtregiments, […] mußte mich auf den Gedanken bringen, meiner Tätigkeit auswärts ein Feld zu eröffnen.“[7] Er sollte schließlich in London und Oslo zum Architekten europäischer Geltung heranreifen. Auch Gottfried Semper fand überall Anerkennung – außer in seiner Geburtsstadt Hamburg. Im 18. Jahrhundert hatte das Hamburger Establishment bereits erfolgreich Gotthold Ephraim Lessing vergrault.

Auf in die weite Welt

Ottilie, die viel Geld bei den Theaterunternehmung Baisons investiert und verloren haben soll[8], sah für sich nur eine Chance für den Neuanfang und diese war die Auswanderung nach Amerika. Für viele ihrer liberalen Zeitgenossen waren die USA das Gelobte Land. Sie galten als Nation, die das Joch einer tyrannischen Fremdherrschaft abgestreift hatte und die – als global einzige Republik nennenswerter Größe – prosperierte. Manchem desillusionierten Veteran der 48er Revolution aus Deutschland bot sich hier die Chance für einen sozialen und politischen Neuanfang. Einige dieser „forty-eighters“, wie Franz Sigel (General im Sezessionskrieg) oder Carl Schurz (US-Innenminister) errangen eine hohe gesellschaftliche Stellung.

Ab 1851 schrieb Ottilie für die Zeitschrift „Cotta’sches Morgenblatt für gebildete Leser“, einem der bedeutsamsten Presseorgane im deutschsprachigen Raum für ein gehobenes Publikum. Aus Amerika berichtete sie vom dortigen Alltag, der sie innerhalb kurzer Zeit entmutigte. Die hohe Zahl von Strafgefangenen, die Ausbeutung der afroamerikanischen Bevölkerung im Süden und die der europäischen Einwanderer im Norden, verdüsterten ihr Bild von den USA schnell.[9]

Ludmilla ging Varnhagen, der inzwischen schon über 70 Jahre alt war, weiterhin bei seiner publizistischen Tätigkeit zur Hand. Wirklich ins Licht der Öffentlichkeit trat sie erst nach dessen Tod 1858. Die Herausgabe des ersten Bandes der, von ihr editierten und veröffentlichten Tagebücher Varnhagens und seiner Korrespondenz mit Alexander von Humboldt, schlug hohe Wellen. Humboldt und Varnhagen hatten sich privat stets unverblümt geäußert, nicht zuletzt über gesellschaftliche Autoritäten. Die Editionen wurden Bestseller, der erste Band erlebte in wenigen Wochen mehrere Auflagen und erschien auch auf Englisch, Französisch, Dänisch und als US-amerikanische Raubkopie.[10] Die Publikation brachte Ludmilla, trotz intensiver vorheriger juristischer Prüfung aller gedruckten Äußerungen und deren Glättung, einen Prozess wegen Majestätsbeleidigung ein. Zu diesem Zeitpunkt weilte sie bereits auf der italienischen Halbinsel und entging den Mühlen der preußischen Justiz, die sie in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe verurteilte. Kurzzeitig spielte Ludmilla mit dem Gedanken, die Strafe dennoch – als eine Art Märtyrerin – anzutreten, blieb aber dann in ihrem mediterranen Domizil. Dank einer Amnestie konnte sie ab 1867 wieder in Preußen einreisen.[11] Ganz ähnlich, wie Ottilie die USA für sich als den Ort definierte, an dem sie ihre liberalen und philanthropischen Ideen verfolgen konnte, so begeisterte sich Ludmilla ebenso für Italien.

Die italienische Halbinsel befand sich im Umbruch, die Habsburger wurden zurückgedrängt, ebenso der politische Einfluss des päpstlichen Katholizismus. 1861 führte dies zur Gründung des italienischen Nationalstaates, maßgeblich durch den Einsatz des liberalen Vorkämpfers Giuseppe Garibaldi. Ludmilla begann in Florenz sowohl für italienische Zeitungen zu schreiben als auch als Korrespondentin für deutsche Magazine zu wirken. Zusammen mit anderen Gleichgesinnten koordinierte sie auch den Eingang von Spenden, die maßgeblich in Stiftungen weitergeleitet wurden, die sich der Bildung im jungen Staat widmeten. Die Alphabetisierung und Forcierung eines italienischen Nationalbewusstseins unter den Schülern war ein Kernanliegen der Regierung. Der Staatsmann Massimo d’Azeglio hatte es auf den Punkt gebracht: „Wir haben Italien geschaffen. Jetzt müssen wir darangehen, Italiener zu schaffen!“[12] Dieses Engagement war für Ludmilla auch mit dem Bemühen um ein Verbessern der Lebensumstände der italienischen (Land-) Arbeiterschaft verbunden, was ihrem Vorhaben auch einen sozialrevolutionären Anstrich verlieh.

Liebe und Literatur

In den USA war Ottilies Interesse inzwischen auf die Abolitionsbewegung gelenkt worden, die die Sklaverei in den Südstaaten zu beenden versuchte. Zum engen politischen und persönlichen Mitstreiter wurde schnell Frederick Douglass. Dieser war als Sklave geboren worden, hatte sich aber befreit und kämpfte nun für das vollständige Ende der Sklaverei. Er hatte sich ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut und war sogar zu einem engen Vertrauten Abraham Lincolns geworden. Wie schon bei der Beziehung zu Baison, so störte sich Ottilie auch hier nicht an den Umständen, wenngleich offen ist, wie nahe Douglass und sie einander kamen. Nicht allein, dass die Zeitgenossen die Beziehung des Afroamerikaners zu der hellhäutigen Deutschen als skandalös betrachteten, Douglass war auch bereits verheiratet und mehrfacher Familienvater. Wie weit die Zuneigung beider für den anderen ging, darüber gehen die Meinungen bis heute weit auseinander. Selbstverständlich wurde die Beziehung von Zeitgenossen und Nachwelt gerne romantisch verklärt. Fakt ist, dass Ottilie Douglass‘ Autobiografie ins Deutsche übersetzte und sie ihn mit dem Werk zahlreicher deutscher Literaten bekanntmachte. Jedoch war Douglass auch ständig unterwegs, immer dabei sich für die Befreiung aller Sklaven in den USA einzusetzen, insbesondere nach dem Ausbruch des Sezessionskrieges. Ottilie äußerte sich oft radikaler als Douglass, da sie als Frau ohnehin kein politisches Prestige besaß. Den brieflichen Kontakt nach Europa reduzierte sie zusehends.[13]

Ludmillas persönliches Leben war ähnlich kompliziert wie das Ottilies. Ihre Ehe mit Cino Grimelli, einem italienischen Offizier, hielt nur kurz.[14] Ludmilla arbeitete unbeeindruckt weiter und publizierte in den 1870er Jahren eine mehrbändige Biografie des preußischen Weltreisenden und Landschaftsbauers Fürst von Pückler. 1877 reisten die Schwestern noch einmal gemeinsam durch Europa, fanden aber nicht mehr zueinander. Auf der Höhe ihres Schaffens erkrankte Ludmilla schwer und starb schließlich 1880 in ihrer Wahlheimat Florenz.

Ottilies Verhältnis zum zwischenzeitlich verwitweten Douglass war abgekühlt, er hatte inzwischen eine andere weiße Abolitionistin geheiratet. Sie hoffte, in Italien einen Überblick über die finanziellen Rücklagen Ludmillas gewinnen zu können. Das Vermögen hatte sie aber bereits einer Stiftung zur Förderung der Schulbildung in Italien vermacht. Ihr geistiges Erbe und das Varnhagens sowie zahlreicher anderer Autoren mit denen sie korrespondiert hatte, wurden nach Berlin verbracht. Die „Sammlung Varnhagen“ wird heute zur einen Hälfte dort, zur anderen Hälfte in Krakau verwahrt. Die in Köln ansässige „Varnhagen Gesellschaft“ führt zudem Interessierte zusammen, die sich dem Wirken des Berliner Publizisten und seiner Bekanntschaft widmen.

Einer der letzten schriftlich überlieferten Briefe Ottilies an Gutzkows Ehefrau Bertha, zeugt vom Schmerz über den Verlust ihrer Schwester. Ebenso aber ereiferte sie sich in diesem Schreiben über die italienischen Republikaner, die „Räuber, Banditen oder Diebe“,[15] die sich vermeintlich am Erbe Ludmillas bedient hätten.

Ihr weiteres Schicksal lässt sich nur mühselig rekonstruieren, offenbar reiste sie ziellos in Europa umher. Womöglich an Brustkrebs erkrankt, wählte sie am 21. August 1884 den Freitod im Pariser Bois de Boulogne, nachdem sie zuletzt im „Hôtel d’Espagne“ residiert hatte. Sie hinterließ 13.000 Dollar, die sie durch Douglass zum Großteil einem weiteren humanitären Projekt zukommen ließ: Sie gingen an die „American Society for the Prevention of Cruelty to Animals“,[16] die sich seit 1866 gegen Tierversuche und andere Grausamkeiten an Tieren engagiert.

Literatur

  • Assing, Ottilie. Jean Baptiste Baison. Ein Lebensbild. Hamburg. 1851.
  • Behmer, Britta. Anonymität und Autorschaft. Die fremde Stimme Ottilie Assings. In: Gatter, Nikolaus (Hg.). Makkaroni und Geistesspeise. Berlin. 2002. S. 369 – 379.
  • Brietzke, Dirk. Assing, Rosa Ludmilla. In: Kopitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk. Hamburgisches Personenlexikon. Bd. 2. Hamburg. 2003. S. 32 f.
  • Dick, Jutta. Ottilie Assing, ein engagiertes Leben zwischen Europa und Amerika. In: Kotowski, Elke-Vera (Hg.). Salondamen und Frauenzimmer. Selbstemanzipation deutsch-jüdischer Frauen in zwei Jahrhunderten. Oldenburg. 2016. S. 39 – 53.
  • Dies. Ottilie Assings Aufbruch in die Neue Welt. In: Dies; Hahn, Barbara (Hgg.). Von einer Welt in die andere. Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Wien. 1993. S. 126 – 141.
  • Diedrich, Maria. Love across Color Lines. Ottilie Assing & Frederick Douglass. New York. 1999.
  • Gatter, Nikolaus. „Impiertät, Indicretion, Scandalsucht und Frivolität.“ Ludmilla Assings Veröffentlichungen „Aus dem Nachlass Varnhagen’s von Ense.“ In: Neuhaus, Stefan; Holzner, Johann (Hgg.). Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen. Göttingen. 2007. S. 224 – 234.
  • Ders. „Gift, geradezu Gift für das unwissende Publicum“ der diaristische Nachlass von Karl August Varnhagen von Ense und die Polemik gegen Ludmilla Assings Editionen (1860-1880).
  • Jones, Michael. Dramatische Leseabende. Die Schwestern Ottilie und Ludmilla Assing. In: Gatter, Nikolaus (Hg.). Makkaroni und Geistesspeise. Berlin. 2002. S. 351 – 357.
  • Judson, Pieter. Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740 – 1918. München. 2017.
  • Leverenz, David. Frederick Douglass’s Self-Refashioning. In: Ders (Hg.). Manhood and the American Renaissance. New York. 1989. S. 108 – 135.
  • Rasch, Wolfgang (Hg.). Karl Gutzkow. Erinnerungen, Berichte und Urteile seiner Zeitgenossen. Eine Dokumentation. Berlin. 2011.
  • Wegner, Matthias. Hanseaten. Von stolzen Bürgern und schönen Legenden. Hamburg. 2008.

[1] Ottilie Assing an Karl August Varnhagen. Hamburg. 18. April 1839. In: Rasch, Wolfgang (Hg.). Karl Gutzkow. Erinnerungen, Berichte und Urteile seiner Zeitgenossen. Eine Dokumentation. Berlin. 2011. S. 117 f.

[2] Dick, Jutta. Ottilie Assings Aufbruch in die Neue Welt. In: Dies; Hahn, Barbara (Hgg.). Von einer Welt in die andere. Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Wien. 1993. S. 126 – 141. Hier: S. 129.

[3] Behmer, Britta. Anonymität und Autorschaft. Die fremde Stimme Ottilie Assings. In: Gatter, Nikolaus (Hg.). Makkaroni und Geistesspeise. Berlin. 2002. S. 369 – 379. Hier: S. 370.

[4] Assing, Ottilie. Jean Baptiste Baison. Ein Lebensbild. Hamburg. 1851. S. 2.

[5] Diedrich. Love across Color Lines. Ottilie Assing & Frederick Douglass. New York. 1999. S. 76.

[6] Dick, Julia. Ottilie Assings Aufbruch in die Neue Welt. In: Dies; Hahn, Barbara (Hgg.). Von einer Welt in die andere. Jüdinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Wien. 1993. S. 126 – 141. Hier: S. 130.

[7] Wegner, Matthias. Hanseaten. Von stolzen Bürgern und schönen Legenden. Hamburg. 2008. S. 244.

[8] Dick. Ottilie Assings Aufbruch. S. 129.

[9] Ebd. S. 131.

[10] Gatter, Nikolaus. „Impiertät, Indicretion, Scandalsucht und Frivolität.“ Ludmilla Assings Veröffentlichungen „Aus dem Nachlass Varnhagen’s von Ense.“ In: Neuhaus, Stefan; Holzner, Johann (Hgg.). Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen. Göttingen. 2007. S. 224 – 234. Hier: S. 226.

[11] Gatter, Nikolaus. „Gift, geradezu Gift für das unwissende Publicum“ der diaristische Nachlass von Karl August Varnhagen von Ense und die Polemik gegen Ludmilla Assings Editionen (1860-1880). Bonn. 1993. S. 320.

[12] Zitat nach: Judson, Pieter. Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740 – 1918. München. 2017. S. 348.

[13] Diedrich. Love across Color Lines. S. 253.

[14] Brietzke, Dirk. Assing, Rosa Ludmilla. In: Kopitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk. Hamburgisches Personenlexikon. Bd. 2. Hamburg. 2003. S. 32 f. Hier: S. 33.

[15] Dick. Ottilie Assing. In: Dies, Hahn (Hgg.). Von einer Welt in die andere. S. 137. Die Autorin nennt Amalie Gutzkow als Adressatin. Diese, seine erste Ehefrau, starb aber bereits 1848.

[16] Leverenz, David. Frederick Douglass’s Self-Refashioning. In: Ders (Hg.). Manhood and the American Renaissance. New York. 1989. S. 108 – 135. Hier: S. 128.

1686 – Hamburgs heißer Herbst

Die Wirren Hamburgs der 1680er Jahre sind heute fast vergessen. Dabei erlebte die Hansestadt eine der turbulentesten Phasen ihrer Geschichte: der Bürgermeister wurde aus der Stadt gejagt, Kaufleute fürchteten um ihr Hab und Gut und fremde Mächte belagerten die Stadt. – Von Florian Tropp

Am 4. Oktober 1686 war die gesamte Hansestadt Hamburg auf den Beinen. Jeder Bewohner wollte noch einen letzten Blick auf die beiden Männer werfen, die in den vergangenen zwei Jahren Hamburgs Politik geprägt hatten: der Reeder Cord Jastram und der Kaufmann Hieronymus Snitger. Gemeinsam hatten sie und ihre Gefolgsleute die Stadt in den Monaten zuvor auf den Kopf gestellt und sogar den Senat entmachtet. Nun, da die hanseatischen Eliten die Zügel wieder fest in der Hand hielten, übten sie grausame Rache.

Die beiden Delinquenten wurden auf den Richtplatz gezerrt und vor den Augen der Anwesenden enthauptet. Ihr einziges „Glück“ in diesem Moment war, dass es dem Scharfrichter jeweils mit einem Schlag gelang, den Kopf vom Hals zu trennen. Bei Hinrichtungen jener Zeit kam es oft vor, dass diese das Leiden der Verurteilten unnötig verlängerten: Ein Jahr zuvor hatte es sieben Axtschläge gebraucht, um in London den Duke of Monmouth hinzurichten, der gegen den englischen König opponiert hatte.[1] Post Mortem wurden die Leiber Jastrams und Snitgers ausgeweidet, gevierteilt und die Schädel zur Mahnung über dem Millerntor und dem Steintor aufgehängt.

Wie war es soweit gekommen? Die Ursache für das politische Handeln von Jastram und Snitger lag in spezifischen strukturellen Problemen der Stadtrepubliken der Frühen Neuzeit begründet. Auch in Reichsstädten wie Frankfurt gab es wenige Jahre darauf Unruhen[2], von den immer wiederkehrenden Konflikten in den nahegelegenen niederländischen Handelsmetropolen ganz zu schweigen. Der Streit innerhalb Hamburgs hatte sich dabei zu einer Angelegenheit von europäischer Dimension zugespitzt.

Es gärt in Hamburg

Die Hansestadt stand nicht nur im Innern vor der Zerreißprobe; ebenso kompliziert war die außenpolitische Situation. Hamburg lag im Spannungsfeld der geopolitischen Machtfelder jener Zeit: Nördlich der Stadt, die damals etwa 60.000 Einwohner hatte, lag das selbstbewusste Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf, das wiederum an Dänemark angrenzte. Nicht zu vergessen ist auch die Präsenz Schwedens im Nord- und Ostseeraum: Dieser Staat besaß im 17. Jahrhundert den Rang einer europäischen Supermacht. In Personalunion regierten die schwedischen Könige auch das Herzogtum Bremen-Verden. Des Weiteren pflegten Hamburgs Würdenträger gute Kontakte zum Herzog von Lüneburg-Celle.

Die Erhebung Hamburgs zur Freien Reichsstadt durch Kaiser Maximilian im Jahre 1510, wurde vom Hof in Kopenhagen weiterhin nicht anerkannt. Dies änderte sich auch nicht, als das Reichskammergericht in Wetzlar 1618 diesem Vorgang erneut seine legale Grundlage bestätigte. Aus dänischer Sicht war Hamburg nach wie vor integraler Bestandteil des Herzogtums Holstein, das in Personalunion mit der Krone Dänemarks verbunden war.

Im Innern Hamburgs traten Risse in Gesellschaft und Politik offen zu Tage. Das politische System der Stadt setzte sich aus Senat und Bürgerschaft zusammen, wobei die Mitgliedschaft in letzterer vererbt wurde. Die Zusammenarbeit beider lief in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer schlechter ab, spätestens seit 1665 war dieser Konflikt offensichtlich, als die Bürgerschaft erstmals in Petitionen gezielt Fehler des Senats benannte. Hauptkritikpunkt am Senat waren dessen Alleingänge bei politischen Entscheidungen, Vetternwirtschaft und die Aushöhlung der Rechte der Bürger.[3] Dieser Kampf fand zunächst nur in Debatten und Publikationen statt, wurde aber immer greifbarer, je mehr sich die Krise verschärfte. In dieser Phase betraten nun Cord Jastram und Hieronymus Snitger die politische Bühne.

Zwei Revolutionäre auf dem Weg nach oben

Die Lebenswege der beiden Männer sind heute nicht mehr eindeutig nachvollziehbar, doch waren diese von denselben politischen und ökonomischen Umständen geprägt wie die ihrer hanseatischen Zeitgenossen. Jastram und Snitger hatten bereits seit mehreren Jahren beruflich und politisch miteinander kooperiert. Jastram schickte erfolgreich Walfangflotten auf Nordmeerfahrt, Snitger pflegte Handelskontakte in den Mittelmeerraum.

Nach längerer unauffälliger Mitarbeit in den Gremien der Stadt stiegen sie zu den Wortführern der Popularen auf, jener Parteiung, die sich für eine stärkere Einbeziehung der Bürger in den politischen Entscheidungsprozess einsetzte.[4] Ihre Gegenspieler und deren Anführer machten es ihnen leicht, neue Anhänger zu gewinnen: Bürgermeister Heinrich Meurer galt als arrogant, unnahbar und tief verstrickt in illegale Machenschaften. Seinen Mitbürgern gegenüber war er äußerst misstrauisch und sicherte sich in einem Vertrag mit dem Herzog von Lüneburg-Celle sogar militärische Hilfe von außerhalb zu, falls es in Hamburg zu Unruhen käme.[5]

Im Jahr 1684 wagte die Gruppe der Popularen den entscheidenden Schritt. Unter Federführung Snitgers und Jastrams wurde ein Rat der 30 aus der Taufe gehoben, der dem Willen der Bürgerschaft zusätzlichen Nachdruck verschaffen sollte. Die Arbeit dieses Rates wurde von den alteingesessenen politischen Akteuren geradezu dämonisiert.

In Pamphleten hieß es, die Bürger seien den angestammten Herren und letztlich dem Kaiser in Wien Gefolgschaft schuldig. Die offene Einbeziehung breiter Schichten der Bevölkerung in die Tagespolitik galt als gefährlich und leiste dem Aufstand Vorschub. Für Denker jener Zeit, die zumeist aus gehobenen Schichten stammten, war nichts verheerender als der Einfluss breiter Volksmassen auf das Gemeinwohl. Laut einem Pamphlet, das nach Entmachtung von Jastram und Snitger veröffentlicht wurde, sei es bekannt, dass „aus allzu grosser Freyheit des Volcks nichts als Unordnungen entstehen/ und gar leicht eine solche Unruhe erwecket wird/ welche nicht allein solche Democratische Regierung in den Grund zerstören/ sondern auch viele der Nachbahren in grosse Unruhe und Uneinigkeit untereinander verwickeln kann.“[6] Trotz aller Polemik erscheinen die Mitglieder des Rats der 30 weniger als frühdemokratische Sozialrevolutionäre, wie man heutzutage vielleicht annehmen möchte. Dennoch war ihnen an einer Aufweichung der politischen und sozialen Verhältnisse sehr gelegen.

In Pamphleten, wie dem zuvor Zitierten, hatte der Autor den Schuldigen für die weiteren Vorkommnisse ausgemacht: Die außenpolitische Eskalation als Folge einer Rebellion innerhalb der Hamburger Stadtmauern war denjenigen geschuldet, die den Aufruhr geschürt hatten. In letzter Instanz waren damit alle Bürger schuld, die sich Jastram und Snitger angeschlossen hatten.

Selten sind differenzierte zeitgenössische Urteile in dieser Angelegenheit zu finden. Eine Ausnahme bildet der kaiserliche Diplomat Haaro von Goedens, der erkannte, dass vor allem der Senat selbst sich durch seine Verfehlungen ins Abseits manövriert hatte. Das Handeln Snitgers und Jastrams gegen die Missetaten des Senats zeigten bald Wirkung: Der verhasste Bürgermeister Meurer hatte die Stadt unter Schimpf und Schande bereits 1684 verlassen und war nach Celle zum dortigen Herzog geflohen.

Von der hamburgischen Krise zu einer Krise europäischer Bedeutung

Angesichts der offenen Parteinahme des südlichen Nachbarn Lüneburg-Celle wandten sich die neuen Herren Hamburgs dem dänischen Nachbarn als Alliiertem zu. In Kopenhagen aber verfolgten der dänische König und seine Minister ein ganz anderes Ziel: Die Unterwerfung Hamburgs und seine Inkorporation in den dänischen Gesamtstaat. König Christian V. ließ derweil den anderen Mächten im Norden des Reiches gegenüber verlauten, es gehe ihm vornehmlich darum, in Hamburg „gegenwertige Irrungen zur Endschafft zu bringen.“[7]

Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“ von Brandenburg, versuchte als Stellvertreter einer bedeutenden protestantischen Macht noch zu vermitteln, doch auch er konnte Dänen und Lüneburger nicht an den Verhandlungstisch bringen. Bald marschierten dänische Truppen auf Hamburg vor und campierten zunächst in Altona. Als die dänischen Heerführer weitreichende Forderungen zu stellen begannen, erkannten Snitger und Jastram, dass sie auf das falsche Pferd gesetzt hatten.

Am 20. August 1686 nahm die dänische Artillerie die Hansestadt unter Feuer; erstes Ziel war die Ausschaltung der Festungsanlagen der Sternschanze, die exponiert vor der Stadt lagen. Dort verteidigten Hamburger Bürger die Festungsanlagen, die bald von 1.200 Musketieren und Dragonern aus Lüneburg-Celle unterstützt wurden – die Entsatztruppen des Herzogs. Letztere wurden in aller Eile vom Ratsmitglied Jacob Sylm unter Eid genommen und kämpften damit unter Hamburger Banner.[8]

Die zeitgenössischen Berichte zeichnen ein Bild verbissener Kämpfe zwischen den Angreifern aus dem Norden und den Verteidigern in Hamburg. Parallel zum Kampf zu Lande versuchten die dänischen Schiffe auch von der Elbe aus den Widerstand der Hamburger zu brechen.

Von einem schwer verwundeten lüneburgischen Soldaten erfuhren die Verteidiger auf der Sternschanze, dass die dänischen Truppen am Abend des 24. August bereits auf wenige Schritte an die äußersten Verteidigungslinien vorgerückt waren.[9] Weiter sollten sie auf diesem Feldzug nicht mehr gelangen.

Die Anzahl der Verteidiger wuchs beständig an, bald rückten auch Brandenburger Truppen in die Stadt ein, kurz nachdem Kurfürst Friedrich Wilhelm die Geduld verloren hatte. Nach zwei Wochen des Berennens der Schanzen zeigten die dänischen Truppen deutlich Ermüdung und König Christian V. befahl den Rückzug in Richtung Ottensen.

Ein teurer Preis für Hamburg

An den nun folgenden Verhandlungen waren Jastram und Snitger nicht mehr beteiligt. Im Zuge der Wirren der Belagerung waren die beiden Männer, „welche man biß dato vor redliche Patrioten gehalten/ gefänglich eingezogen/ und Sie eines Verraths beschuldiget“[10] worden.

Bei den anstehenden Gesprächen wurde den Hamburger Abgesandten nur eine Zuschauerrolle zugebilligt. Die auswärtigen Mächte lehnten eine direkte Beteiligung der Stadt an den Gesprächen ab. Hamburg galt als Hauptschuldiger, dessen Verantwortliche eine unnötige Krise provoziert hatten. Christian V. erreichte gar einen stattlichen Schadensersatz in Höhe von 300.000 Talern und die erneute Prüfung seiner Ansprüche auf Hamburg.

Ende Oktober waren sämtliche auswärtige Truppen aus Hamburg abgezogen. Der zuvor geflohene Bürgermeister Meurer übte blutige Rache: Jastram und Snitger wurden gefoltert und kurz darauf öffentlichkeitswirksam hingerichtet. Zahlreiche andere ihrer Anhänger mussten ins Exil gehen. Erst Meurers natürlicher Tod 1690 erlöste die Bürger Hamburgs von seinem strengen Regiment.

In den Jahren nach der Belagerung verblasste auf Zutun der politischen Kräfte der Stadt schnell die Erinnerung an die 1680er Jahre. Eine Memorik, die die Auflehnung gegen die alteingesessenen Eliten zum Ziel hatte, war nicht erwünscht. Viel lieber wurde an eine vermeintliche „Einheit“ der Stadt erinnert, die Grund für die erfolgreiche Abwehr der dänischen Truppen gewesen sei.

Zahlreiche Medaillen von Ende des 17. Jahrhunderts legen Zeugnis davon ab. Allegorisch wurde der Widerstand verklärt und die Tapferkeit der Hamburger Bürger hervorgehoben. Ein anschauliches Beispiel ist eine Prägung, die die Abwehr eines Elefanten zeigt. Dieser verkörpert dabei die dänische Macht, denn seit dem Spätmittelalter belohnten die dänischen Monarchen hohe Adlige mit der Aufnahme in den von ihnen gestifteten Elefantenorden.[11] Der Konflikt mit den dänischen Machthabern konnte aus Hamburger Sicht erst 1768 beigelegt werden, als im Gottorfer Vergleich Hamburg seine Unabhängigkeit zugesichert wurde.

Heute lassen sich keine Hinterlassenschaften mehr von Jastram und Snitger im Stadtbild finden, einziges Indiz sind die nach letzterem benannten Straßen Snitgerreihe und Snitgerstieg in Hamburg-Horn. Hamburgs konservativen Eliten des 18. und 19. Jahrhunderts gelang es somit nachhaltig, die Erinnerung an die beiden „Revolutionäre“ auszuradieren.


[1] Spencer, Charles: Blenheim. Battle for Europe, Phoenix 2005, S. 54.

[2] Martus, Steffen: Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild, Berlin 2015, S. 161.

[3] Lindemann, Mary: The Merchant Republics. Amsterdam, Antwerp, and Hamburg, 1648–1790, New York 2015, S. 157.

[4] Berlin, Jörg: Bürgerfreiheit statt Ratsregiment. Das Manifest der bürgerlichen Freiheit und der Kampf für Demokratie in Hamburg um 1700, Norderstedt 2012, S. 98.

[5] Ebenda, S. 69.

[6] Hamburger Grossmüthigkeit bereuet ihre Undankbarkeit in einer Beschreibung, Hamburg 1686, S. 5 f.

[7] Endliche Declaration, So Ihro K. May. zu Dennemark … denen Churbrandenb. … Ministris … der Hamburg. Irrungen halben … zustellen lassen, Hamburg 1686, S. 1.

[8] Kurze Relation was sich in währender Berenung der Stadt Hamburg … zwischen Ihrer Königlichen Majestät von Dännemark und obgedachter Stadt begeben, 1686, S. 5.

[9] Ebenda, S. 9.

[10] Ebenda, S. 11.

[11] Fried, Torsten: Geprägte Macht. Münzen und Medaillen der mecklenburgischen Herzöge als Zeichen fürstlicher Herrschaft, Köln u.a. 2015, S. 188.

Händel am Gänsemarkt

Nach über zehn Jahren Bauzeit wurde am 11. Januar 2017 die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet. Sie setzt damit die Tradition Hamburger Konzerthäuser fort, die schon im 17. Jahrhundert am Gänsemarkt begann. Dort wirkte auch der junge Georg Friedrich Händel. Beinahe hätte seine junge Karriere bereits dort auch ihr Ende genommen.  – Von Florian Tropp

Die Werke von Georg Friedrich Händel sind auch heute noch jedem ein Begriff. Ob der Chor aus dem Messias oder die britische Coronation Anthem, die in abgewandelter Form vor jeder Partie der Fußball Champions League gespielt wird. Händel, der sich von Halle aus in die Welt aufmachte und vor allem in London für Furore sorgte, gilt nach wie vor als einer der bedeutendsten Musiker des Geschichte.

Bevor Mozart und Beethoven die Bühne betraten, war Händel für die damalige Musikwelt  der größte Komponist aus dem deutschsprachigen Raum. Der Literaturhistoriker Johann Joachim Eschenburg schrieb im Jahr 1785: „Unter den vielen grossen musikalischen Genies, auf deren Hervorbringung unsere Nazion [sic] mit Recht stolz sein kan, verdient Händel, in Rücksicht auf den Umgang seiner Talente, unstreitig den ersten Rang.“[1]

Mit Hamburg würde man den Komponisten eher weniger verbinden. Und tatsächlich, man sucht dort fast vergeblich nach seinen Spuren. Weder eine Gedenktafel noch ein Denkmal erinnert in der Hansestadt an das Wirken des gebürtigen Sachsen. Immerhin: Die Staats- und Universitätsbibliothek ist im Besitz des bekanntesten Porträts von Händel, das der Brite Thomas Hudson anfertigte.[2] Es ist bezeichnend, dass es nicht prominent im Foyer hängt, sondern versteckt in einem Treppenhaus, das in den 2. Stock führt.

Die Idee einer Oper für Hamburg

Zugegebenermaßen: Händel war noch nicht der spätere „Weltstar“, zu dem er bis Mitte des 18. Jahrhunderts reifen sollte. Gerade einmal 18 Jahre ist der junge Musiker aus Halle alt, als er Anfang Juli 1703 in der Hansestadt eintrifft. Hamburg war, was im Rückblick verwundern mag, ein logisches Ziel für Händel. Die Oper am Gänsemarkt war das erste Konzerthaus im deutschsprachigen Raum, welches dem kulturellen Ideal nacheiferte, das in Italien schon seit Längerem zelebriert wurde.

Ein Hamburger Ratsherr hatte die Idee mit in seine Heimatstadt gebracht: Gerhard Schott war es, der auf Reisen durch Europa diese Kunstform entdeckt hatte und fortan in der Hansestadt für eine gleichartige Einrichtung warb. Ermuntert wurde er dabei auch von Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf, der über weite Gebiete des heutigen Schleswig-Holsteins herrschte. Der kulturbeflissene Herzog, der auch die Gründung der nach ihm benannten Universität in Kiel initiiert hatte, schickte sogar seinen Kapellmeister Johann Theile nach Hamburg, um dort Aufbauarbeit zu leisten.

Es waren turbulente Zeiten für Hamburg, kulturell wie auch politisch. Schnell opponierten die religiösen Wortführer in der Stadt gegen das „sündige“ Spiel auf der Opernbühne. Kunst hatte in jenem Zeitgeist noch den Sinn der Gottgefälligkeit, auch Händel war bislang durch Kirchenmusik geprägt worden.

Die Reformatoren hatten ihrer Kirche allen katholischen Schmucks beraubt; es blieb einzig die Musik, um Gott zu verherrlichen. Luther war der Musik in diesem Zusammenhang von Anfang an aufgeschlossen gewesen, ebenso die meisten anderen Reformatoren. Einzig der Zürcher Zwingli war so radikal, dass er jegliche Musik aus der Liturgie verbannte.[3]

Auch weltliche Unruhen erschütterten die Hansestadt: In den 1680er Jahren übernahmen die Hamburger Kaufleute Cord Jastram und Hieronymus Snitger kurzzeitig die Macht in der Stadt und vertrieben sogar den Bürgermeister. Die Schwäche Hamburgs blieb auswärtigen Mächten nicht verborgen und kurzzeitig belagerte der dänische König die Hansestadt, ehe eine Koalition seine Truppen wieder vertrieb. Jastram und Snitger wurden unter aufsehenerregenden Umständen enthauptet.

Mag Gott die Oper?

In all diesem Chaos versuchten die Betreiber der Oper am Gänsemarkt seit 1678 einen geregelten Betrieb am Laufen zu halten. Die Intendanten bemühten sich mit dem Programm, dem pietistischen Zeitgeist entgegenzukommen und möglichst viele religiöse Stücke zu zeigen. Dennoch bahnte sich schnell ein Konflikt an, denn selbst das frömmelnde Bühnenprogramm ging pietistischen Vorkämpfern zu weit. Ihr Wortführer war Pastor Anton Reiser, der in seinem Pamphlet Theatromania die vermeintliche Dekadenz seiner Zeit aufs Schärfste kritisierte.

Sein wichtigster Gegenspieler war – im lutherischen Hamburg merkwürdig genug – der katholische Opernsänger Christoph Rauch, der mit der Schrift Theatrophania Reiser entgegentrat. Rauch führte zunächst aus, dass auch die Tätigkeiten, die nicht von vornherein als nützlich erachtet würden, ihren Ursprung im Wirken Gottes hätten. Die Oper aber habe Gottes Wohlwollen, da sie der Erquickung der menschlichen Natur und damit der Schöpfung selbst diene.[4]

Im Jahr 1686 fanden am Gänsemarkt kurzzeitig aufgrund eines Verbots keine Aufführungen statt. Schon nach wenigen Wochen aber konnte der Spielbetrieb fortgesetzt werden und das Konzerthaus florierte. Obwohl die Oper immer wieder mit verschiedenen organisatorischen Problemen zu kämpfen hatte, entschied sich Händel im Sommer 1703, nach Hamburg überzusiedeln.

Ein ambitionierter Musiker auf dem Weg nach oben

Was ihn wirklich dazu bewog, ist bis heute umstritten. Möglicherweise wollte er einer gewissen gesellschaftlichen Enge Halles entkommen. Ohne Frage ist es typisch für ihn, dass er der Nachwelt hier Fragezeichen hinterließ; Händel liebte es, seine Biografie mit unlogischen Brüchen zu garnieren.[5]

Unbestritten ist hingegen, dass für ihn der junge Musiker Johann Mattheson zu einer engen Bezugsperson wurde. Der gebürtige Hamburger war vier Jahre älter als Händel und entstammte privilegierten Verhältnissen. Mattheson war universal gebildet, beherrschte mehrere Fremdsprachen und zahlreiche Instrumente. Dem notorischen Vielschreiber Mattheson verdankt die Nachwelt einen Großteil des Wissens um Händels Wirken in Hamburg.

Nachdem sich beide im Juni 1703 begegnet waren, entwickelten sie offenbar ein gutes Verhältnis zueinander, musizierten gemeinsam und reisten in Norddeutschland umher. Dazu hatten sie auch genug Zeit: Die Oper war den Sommer über geschlossen. Unter Leitung eines der berühmtesten Musikschaffenden jener Zeit, Reinhard Keiser, debütierte Händel dann am 27. August als zweiter Violinist in Keisers Werk Die Geburt der Minerva.

Mattheson schätzte offenbar Händel, bemerkte aber auch musikalische Ungeschliffenheiten bei seinem jungen Kollegen. Händels Metier war bis dahin vornehmlich die Kirchenmusik gewesen, an Stil und Musizierweise der Oper musste er sich erst noch gewöhnen.[6]

Anfang 1704 schloss die Oper auf Senatsbefehl vorübergehend erneut. Ursache mag weniger Naserümpfen der Senatoren über gotteslästerliches Spiel, sondern vielmehr ein finanzieller Engpass gewesen sein. Händel war besorgt über die Stagnation in der Hansestadt, zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes musste er Musikschüler unterrichten. Mattheson reiste derweil durch die Niederlande.

Ohne Zutun aller Musiker der Oper und Überzeugungsarbeit vor dem Senat, so Händels Furcht, würde sich am Status quo nichts ändern. Ohne Konzentrierung aller Kräfte des Ensembles würde „man ohne deren Gegenwart nichts bey den Opern wird vornehmen können“, so Händel im März 1704 in einem Brief an Mattheson.[7]

Dies Irae

Die prekäre Lage an der immer wieder geschlossenen Oper in Hamburg verschärfte bald das Verhältnis der beiden Musiker zueinander. Sie kämpften um ein geregeltes Einkommen – und Mattheson versuchte offenbar Händel zeitweise das Wasser abzugraben. So machte Mattheson, der fließend Englisch sprach und mit der englischen Philosophie des Sensualismus vertraut war,[8] dem Neuhamburger seine Position als Musiklehrer im Haus des englischen Gesandten John Wich streitig.

Aus einer beruflichen Partnerschaft wurde schnell ein Konkurrenzkampf, der schließlich in spektakulärer Form eskalierte. Mattheson selbst berichtete 1740 in seinem Werk „Grundlage einer Ehren-Pforte“, in welchem er bekannte Musiker seiner Zeit porträtierte, von den Vorgängen.

Am 5. Dezember 1704 standen beide gemeinsam auf der Bühne, als Matthesons Oper Die unglückselige Cleopatra  aufgeführt wurde. Mattheson selbst stellte Marcus Antonius dar, Händel saß derweil am Cembalo und hatte zugleich die Leitung des Orchesters inne. Da Marcus Antonius laut Libretto etwa eine halbe Stunde vor Ende der Oper Selbstmord begeht, war Mattheson es gewohnt danach wieder die Leitung zu übernehmen. Händel aber dachte gar nicht daran.

Die beiden jungen Männer gerieten aneinander und zankten auf der Bühne heftig, angestachelt vom Publikum, das sich offenbar trotz Abbruch des Singspiels bestens unterhalten fühlte. Der Streit verlagerte sich vor die Tore der Oper, wo Mattheson Genugtuung forderte und gegen Händel den Degen zum Duell erhob.

Die Vorgänge wurden von Mattheson kräftig ausgeschmückt und es darf bezweifelt werden, dass die Ereignisse sich wirklich dermaßen dramatisch zuspitzten, wie von ihm geschildert: Durch pures Glück sei es gekommen, dass „die Klinge im Stoffen auf einem breiten, metallenen Rockknopf des Gegners, zersprungen wäre.“[9] Die beiden Streithähne konnten ihren Zwist kurz darauf beilegen. Insbesondere Händel konnte sich auch keine Fehde leisten: Er steckte mitten in den Vorbereitung zur Uraufführung seiner ersten Oper Almira. Sie wurde ein glänzender Erfolg.

Hamburg war Händel schnell zu klein geworden. Durch Studium der Musizierweise an der Oper am Gänsemarkt hatte er Gefallen an dieser Form der Musik gewonnen. Auch seine zweite Oper, Nero, wurde begeistert aufgenommen. Schon bald sehnte er sich nach Italien, dem Heimatland der Oper, wo er seine Kenntnisse weiter verfeinern wollte. Als die Medici ihn einluden, musste er nicht lange überlegen.

Während Händels Karriere große Schritte machte, brachen für die Oper am Gänsemarkt und Johann Mattheson schwere Zeiten an. Georg Philipp Telemann gelang es noch einige Jahre einen geregelten Spielbetrieb zu organisieren, ehe 1738 endgültig der letzte Vorhang fiel. Mattheson hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon lange aus dem Operngeschäft zurückgezogen: Eine beginnende Taubheit zwang ihn, seine Tätigkeit als Musiker aufzugeben.[10]

Im Alter blickte er dann kritisch auf den jungen Konkurrenten, mit dem er einst auf Augenhöhe gewesen war. Händel habe es mit der Oper zu weit getrieben und sei zu sehr dem Laster anheimgefallen, so der verbitterte Mattheson.[11] Dennoch publizierte er 1761 die deutsche Übersetzung der Händelbiografie John Mainwarings; Matheson starb 1764.

Auch nachdem Händel Hamburg im Jahr 1706 verließ, blieb die Hansestadt für sein Wirken wichtig. Telemann hielt Kontakt zu Händel und hatte maßgeblichen Einfluss darauf, dass seine in London uraufgeführten Werke schon kurz darauf auf dem Kontinent Verbreitung fanden.[12] Es bleibt die abschließende Frage: Wird die Elbphilharmonie wie ihr Urahn am Gänsemarkt auch Musiker vom Range eines Händel hervorbringen?

Literatur:

  • Eschenburg, Johann Joachim. Deutsches Museum. 1776-88. 1785, Bd. 1 , S. 133 – 142.
  • Hofmann, Dietmar. Verkündigung des christlichen Glaubens durch geistliche Musik. Dargestellt an der Totenliturgie. Münster. 2004.
  • Krieger, Martin. Patriotismus in Hamburg. Identitätsbildung im Zeitalter der Frühaufklärung. Köln, Weimar, Wien. 2008.
  • Lütteken, Laurenz. „Stolzer Britten Ruhm“ – Händels Weg nach England. In: Marx, Hans Joachim; Sandberger, Wolfgang (Hgg.). Göttinger Händel-Beiträge. Bd. 12. Göttingen. 2012. S. 1-17.
  • Maertens, Willi. Händels Freundschaft zu Telemann. In: Marx, Hans Joachim (Hg.). Händel und Hamburg. Ausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel. S. 109-117.
  • Marx, Hans Joachim. Händels Beziehung zu Johann Mattheson. In: Ders (Hg.). Händel und Hamburg. Ausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel. S. 63-85. Hamburg. 1985.
  • Mattheson, Johann. Grundlage einer Ehren-Pforte. Woran der tüchtigsten, Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler &c. Leben, Wercke, Verdienste &c. erscheinen sollen. Hamburg. 1740. Neudruck 1910.
  • Sdzuj, Reimund B. Adiaphorie und Kunst. Studien zur Genealogie ästhetischen Denkens. Tübingen. 2005.

[1] Eschenburg, Johann Joachim. Deutsches Museum. 1776-88. 1785, Bd. 1, S. 133 – 142. Hier: S. 132.

[2] https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/ueber-uns/kunst-in-der-bibliothek.html

[3] Hofmann, Dietmar. Verkündigung des christlichen Glaubens durch geistliche Musik. Dargestellt an der Totenliturgie. Münster. 2004. S. 6.

[4] Sdzuj, Reimund B. Adiaphorie und Kunst. Studien zur Genealogie ästhetischen Denkens. Tübingen. 2005. S. 255.

[5] Lütteken, Laurenz. „Stolzer Britten Ruhm“ – Händels Weg nach England. In: Marx, Hans Joachim; Sandberger, Wolfgang (Hgg). Göttinger Händel-Beiträge. Bd. 12. Göttingen. 2012. S. 1-17. Hier: S. 10.

[6] Marx, Hans Joachim. Händels Beziehung zu Johann Mattheson. In: Ders (Hg.). Händel und Hamburg. Ausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von Georg Friedrich Händel. S. 63-85. Hamburg. 1985. Hier. S. 66.

[7] Ebd. S. 67.

[8] Lütteken. „Stolzer Britten Ruhm“. In: Marx, Sandberger (Hgg.). Göttinger Händel-Beiträge. Bd. 12. S. 12.

[9] Mattheson, Johann. Grundlage einer Ehren-Pforte. Woran der tüchtigsten, Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler &c. Leben, Wercke, Verdienste &c. erscheinen sollen. Hamburg. 1740. Neudruck 1910. S. 95.

[10] Krieger, Martin. Patriotismus in Hamburg. Identitätsbildung im Zeitalter der Frühaufklärung. Köln, Weimar, Wien. 2008. S. 40.

[11] Marx. Händels Beziehung zu Johann Mattheson. In: Ders (Hg.). Händel und Hamburg. S. 71.

[12] Maertens, Willi. Händels Freundschaft zu Telemann. In: Ebd. S. 109-117. Hier: S. 114.